Vieles kann das Leben des Menschen trüben, verwunden und einengen. Dabei wird auch der Blick auf Gott getrübt oder verstellt.
Das vergesse ich nie! Das verzeih ich dir nie! Es gibt Wunden im Leben, die nie geheilt sind, Verlusterfahrungen, die nie betrauert wurden, Tränen, die nie geweint werden durften, erlittenes Unrecht, das immer übergangen wurde. Das alles engt das Leben ein, schafft Blockaden, spritzt Gift in das Leben.
Die eigenen Wunden
Seelische Verletzungen, körperliches Leid, festgehaltener Groll, Unversöhntheit mit der eigenen Herkunft und Prägung, Feindschaften gegenüber Menschen bilden nicht selten den Nährboden für Lebensverweige-rung und Lieblosigkeit. Die Verweigerung der Versöhnung mit sich selbst, die Unfähigkeit zur Annahme der eigenen Grenzen, Enttäuschungen, Wunden und Verzichte, die Weigerung, der eigenen Armut ungeschminkt ins Gesicht zu schauen, die Aggression gegenüber Vater, Mutter oder prägenden Gestalten, die Trübungen unseres Verhältnisses zur Kirche schwärzen das Glas, das zwischen uns und Gott ist. Vorurteile, das Gefühl, zu kurz gekommen zu sein, Resignation und Aggression zerstören Freude und Aufmerksamkeit. Auch verkehrte Bindungen, unausgereifte Beziehungen können ein Hindernis auf dem Weg der Freiheit und des Glaubens sein (Mt 10, 37–39). In dieser Perspektive wäre auch der Zusammenhang zwischen Krisen und Fixierungen bzw. Abhängigkeiten zu bedenken. Übermäßiges Essen oder Alkohol als „Ersatzbefriedigung“, Machbarkeitswahn, Perfektionismus oder der Kult des (Immer-mehr-)Habens entspringen nicht der Freiheit der Liebe. An die Stelle für andere Verzichte treten Eifersucht und Neid oder auch der Wille zur Macht. Ohne Reinigung von Fixierungen, Abhängigkeiten und Süchten wird die Erfahrung des Glaubens getrübt und der Blick auf Gott verstellt bleiben.
Die anderen verwunden
Wer es selbst als Gemeinheit und Ungerechtigkeit erfährt, leben zu müssen oder so leben zu müssen, ist geneigt, das Gelingen anderer madig zu machen, die Wahrheit der anderen in den Dreck zu ziehen, den Glauben oder Unglauben anderer auf das eigene Niveau zu reduzieren, die Hoffnung anderer in der eigenen Resignation aufzulösen. Wer selbst nicht Recht hat, kann es nicht dulden, dass es andere haben. Entwurzelte Menschen verfallen einer seelischen Trägheit oder sie stürzen sich in eine hemmungslose Aktivität. Entwurzelte Menschen sind meist bestrebt, auch diejenigen zu entwurzeln, die es noch nicht sind.Das ist oft nicht gleich eine Frage personaler Schuld. Einzelne können nicht gleich etwas dafür, ja sie sind oft zuerst Opfer, Opfer anderer, Opfer von Umständen. Es gibt aber eine Spirale der Erbsünde mit Opfern, die zu Tätern werden, und Tätern, die zugleich Opfer sind. Man kann nicht mehr genau festmachen, wer wirklich verantwortlich ist. In der Wurstelei des Lebens gibt es dann keine Verantwortlichen und auch keine Schuldigen mehr. Und doch ist dieses Leben erlösungsbedürftig, es bedarf des klaren Blickes, der Reinigung und der Heilung.
Zurücklassen können
„Rabbi Sussja lehrte: ‚Gott sprach zu Abraham: Geh aus deinem Land, aus deinem Geburtsort, aus dem Haus deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde. Gott spricht zum Menschen: Zuvorderst geh aus deinem Land – aus der Trübung, die du dir selber angetan hast. Sodann aus deinem Geburtsort – aus der Trübung, die deine Mutter dir angetan hat. Danach aus deinem Vaterhaus – aus der Trübung, die dein Vater dir angetan hat. Nun erst vermagst du in das Land zu gehen, das ich dir zeigen werde.“ (M. Buber, Chassidische Geschichten) Von Jesus werden in den Evangelien mehr Heilungen erzählt als Sündenvergebungen. Oft werden Kranke einen Weg geführt, der über mehrere Etappen führt. Die Heilungsgeschichten des Evangeliums können uns helfen, als Verwundete zu Jesus zu gehen und ihn zu bitten, dass er uns verdrängte Wunden, unverarbeitete Verlusterfahrungen, das Unversöhntsein anderen gegenüber zeige und uns auf den Weg der Heilung und Versöhnung führe.
Auf den Weg der Heilung machen
Fasten-Tipp
- Wenn Jesus fragt: Was soll ich dir tun? – Welche Antwort würde ich geben?
- „Willst du gesund werden?“ (Joh 5, 6) – Welche Bedenken und Widerstände melden sich?
- Wo bin ich gelähmt? (Mk 2, 1–12: Heilung eines Gelähmten)
- Wo fühle ich mich als zu klein geraten, als zu kurz gekommen? (Lk 19,1–10: Zachäus)
- Welche Last schleppe ich schon lange mit mir herum? (Mk 5, 24-34: Frau, die 12 Jahre an Blutungen litt)
- Wo erfahre ich mich als blockiert? (Mk 7, 31–37: Heilung eines Taubstummen)
- Wo projiziere ich meine eigenen Fehler in andere hinein? (Lk 6, 37–42)
- Von der Notwendigkeit der Versöhnung (Mt 5, 21–26)