Ausgabe: 2004/12, Stecher, König, Kardinal, Konzil,
16.03.2004 - Kirchenzeitung der Diözese Linz
Am 13. März ist Kardinal Franz König im 99. Lebensjahr gestorben. „Ohne Angst“, wie er wiederholt sagte, hat er sein Leben dem zurückgegeben, dem sein ganzes Denken, Fragen, Tun und Beten galt. In einem Jahrhundert voller dramatischer Umbrüche in Kirche, Politik und Gesellschaft hat er in persönlicher Bescheidenheit und großer Sachkompetenz viele Brücken der Verständigung gebaut. „Die Wahrheit in Liebe tun“ war sein Wahlspruch. In großer Loyalität zur Kirche und in tiefer Verbundenheit mit den Sorgen und Hoffnungen der Menschen versuchte er er ihn zu leben.
Wie ein Morgenwind
Bischof Reinhold Stecher zum Tod seines Freundes Kardinal Franz König
„Bis in seine letzten Tage war Kardinal Franz König ein Stück Trost, Hoffnung und Morgenwind in Österreichs Kirche“, sagt sein Freund Bischof Reinhold Stecher zum Abschied. Mein letzter Besuch bei ihm war so voll fröhlicher Erinnerung. Er war aufgeräumt und wie immer mitten in den Fragen der Zeit und der Kirche und von einer Herzlichkeit, die mich ganz beschwingt nach Hause fahren ließ. Aber ganz weit hinter diesen positiven Eindrücken brütete auch die Befürchtung, dass ich bald einmal einen Nachruf schreiben müsste. Und jetzt ist es soweit. Ich vermag den Reichtum seines Lebens und Wirkens nicht in ein paar armselige Zeilen einzubringen. Ich muss mich mit ein paar Strichen begnügen, die mir sicher nicht so meisterhaft gelingen, wie manchmal einige große Porträtisten das Wesen eines Menschen eingefangen haben.
Eine große Lücke
Ich weiß, es muss wie ein üblicher Grabredenüberschwang klingen, wenn ich sage, dass mir ein fast Hundertjähriger eine Lücke reißt. In diesem Alter ist doch das Leben schon längst gelaufen und ist seit Jahren im stillen Sinkflug, die Verantwortungen sind abgegeben und die Rollen ausgespielt, die Landeklappen sind ausgefahren und die Räder des Fahrgestells bereiten sich auf eine sanfte Landung vor, die die letzte sein wird. Er hat es selbst gewusst und gesagt. Nicht mit diesen Worten, aber in diesem Sinn. Wer will da von „großer Lücke“ und „unersetzlichem Verlust“ sprechen? Das erinnert doch an rhetorische Pflichtübung. Aber der große Kardinal reißt mir doch eine Lücke. Nicht nur, weil ich einen Freund verloren habe.
Ein Stück Hoffnung
Kardinal König hatte noch in den Jahrzehnten seines Ruhestandes eine einmalige Funktion. Gewiss, die Langstreckenflüge des Sprachgewandten in die Weite des Geistes, zu den Landebahnen anderer Religionen und Kulturen in Vergangenheit und Gegenwart waren vorbei. Vorbei auch die großen Aufgaben in Heimat- und Weltkirche, die heiklen diplomatischen Missionen und die Stimme in den amtlichen Gremien der Weltkirche. Aber er blieb ein Nebelscheinwerfer durch seine Persönlichkeit. Er verkörperte jene moralische Autorität, die weder Machtposition noch Würdegehabe braucht, an der Titel, Ehrendoktorate, Empfänge und Purpur eine unbedeutende Zugabe werden. Der Kardinal ist ein Geistträger geblieben, bis in seine letzten Tage hinein. Und als solcher war er immer ein Stück Trost, Hoffnung und Morgenwind in Österreichs Kirche, auch durch alle trüben und novemberlichen Zeitläufe hindurch.
Wie ein grüner Baum
Er war nicht nur der letzte lebende Kardinal des großen Konzils, er hat den Geist dieser bedeutendsten Selbstbesinnung der Kirche in der Neuzeit ausgestrahlt. Und weil diese seine Funktion so eminent wichtig und wohl tuend war, reißt der große Kardinal eine Lücke. Ich möchte vermeiden, ihn als „Denkmal“ des Konzils zu bezeichnen. „Denkmal“ klingt so nach Gestern und Vorbei, nach totem Stein und Taubenschmutz. Kardinal König war kein Denkmal. Er war ein immergrüner Baum, einer von jenen Bäumen, von denen der erste Psalm sagt: „Gepflanzt an Wasserbächen, verwelkt ihr Laub nie, und sie bringen Früchte zu ihrer Zeit.“ Und für das Letztere wird Österreichs großer Kardinal wohl auch von drüben her sorgen.