Iva Lucic sieht es als ihre Aufgabe, „nach den Jahren des Krieges Menschen wieder für Kunst zu begeistern“. Dabei ist der Glaube für die junge Sängerin aus Sarajevo zu einer Quelle der Inspiration geworden.
„Es war wirklich ein tolles Erlebnis“, freut sich Iva Lucic über die Konzerte. „Sarajevo Anerkennung zollen“ hieß die Tournee, die Mitte März vier Künstlerinnen in mehrere deutsche Städte führte: zwei Bosniakinnen, eine Kroatin und eine Serbin, zwei Muslima und zwei Christinnen. „Diese Multikulturalität – das ist der bosnische Geist, den viele noch aus der Zeit vor dem Krieg kennen. Und ich glaube daran, dass wir ihn wiederbeleben können“, ist die Jüngste im musikalischen Quartett überzeugt.
Den vier Künstlerinnen ist noch etwas gelungen. „Bosnien als ein Land darzustellen, das trotz des Krieges und der schweren Vergangenheit etwas anzubieten hat“, fasst die junge Sopranistin Iva Lucic das Ziel der Tournee zusammen. „Auch in Österreich gibt es viele Vorurteile über die Menschen am Balkan.“
Musik weckt Emotionen
In ihrem künstlerischen Schaffen setzt Iva Lucic auf eine persönliche Erfahrung. „Musik weckt meine Emotionen und ich bringe sie zum Ausdruck“, meint die Sängerin. Heute würden viele Menschen jedoch ihre Emotionen statt auszudrücken vielfach unterdrücken. „Vielleicht ist die Zeit gekommen, den emotionalen Teil des menschlichen Lebens wieder stärker zu betonen im Gegensatz zur rationalen Welt.“
Die Begegnung mit den eigenen Emotionen führt Iva Lucic zu der tiefen Erfahrung, wer sie selber ist. „Täglich muss ich mich mit meinen Emotionen auseinandersetzen, die ich in meiner Musik zum Ausdruck bringe. Dafür gibt es keine bessere Inspiration als meinen Glauben.“ Für die junge Frau aus Sarajevo ist der Glaube eine starke Hilfe. „Besonders in den Momenten, als ich mich verlassen und missverstanden gefühlt habe. Da hat mir der Glaube immer Halt gegeben. Wenn sich die helle Seite des Lebens verdunkelt, gibt der Glaube Kraft zur Hoffnung. Im Glauben können wir das unsichtbare Gesicht, das uns nachgeht, entdecken. Ein Gesicht, das durch jede Frau und jeden Mann in unserer Umgebung zu uns spricht.“
Berufung zur Kunst
In ihrer Gesangsausbildung hat Iva Lucic erfahren, wie sehr der Glaube zur Quelle der Inspiration wird. „Gott hat jeder und jedem von uns eine spezielle Aufgabe übertragen. Die größte Aufgabe einer Künstlerin ist es, die Gemeinschaft würdig zu machen, besonders aber jedem Menschen Gott näher zu bringen“, meint Iva, die das mit ihrem Gesang erreichen will. „Wir haben diese Gabe von Gott erhalten, um für das Wohl der Menschen zu arbeiten. Deshalb müssen wir auch mit der Kunst sorgfältig und verantwortungsvoll umgehen.“ Nicht der Applaus sei der Sinn der Kunst.
Gleichzeitig erlebt sie, wie schwer es ist nach den Jahren des Krieges, die Menschen für die Beschäftigung mit Kunst zu interessieren. „So viele müssen überlegen, wie sie morgen ihr Brot verdienen werden. Da hat kaum jemand Zeit, um sich für klassische Musik zu interessieren.“ Dennoch will die Sängerin nicht aufgeben. Sie will weiter den Menschen die Kunst näher bringen: „Das ist eine ganz große Aufgabe die vor allem auf den Schultern unserer Generation liegt.“
Die Sopranistin ist überzeugt: „Wenn wir die Würde des Menschen erhalten wollen, brauchen wir einen gesunden Glauben gefüllt mit Toleranz und Liebe. Die Kunst hilft uns, denn in ihr werden Barrieren der Nationalitäten aufgehoben und verschwinden.“ Deshalb hofft Iva Lucic auch in ihrer Geburtsstadt Sarajevo möglichst bald auftreten zu können. Und zwar nicht länger alleine, sondern in jenem musikalischen Quartett, das bei seiner Tournee jüngst so erfolgreich war: weil der bosnische Geist spürbar wurde.
Zur Person
Iva Lucic wurde 1984 in Sarajevo geboren und zählt sich selber zur „Kriegsgeneration“. 1992 flüchtete sie zunächst mit ihren Eltern nach Mazedonien, der Heimat ihrer Mutter, ehe sie noch im gleichen Jahr nach Deutschland kam. Nach ihrer Rückkehr besuchte Iva von 1998 bis 2000 das Musikgymnasium in Sarajevo. Seit 2001 pendelt sie zwischen ihrer Heimatstadt und Salzburg, wo sie das Konzertfach Gesang am Mozarteum studiert. Lucic ist Mitarbeiterin der Kulturzeitschrift „Svijetlo rijeci“ (Licht des Wortes), die von den Franziskanern in Sarajevo herausgegeben wird.