Die Bundespräsidentenwahl geht am 22. Mai in die spannende zweite Runde. Interessant ist, dass sowohl Norbert Hofer als auch Alexander Van der Bellen gezielt praktizierende Christen ansprechen.
Ausgabe: 2016/17, Bundespräsidentenwahl, Hofer, Van der Bellen
26.04.2016 - Heinz Niederleitner
FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hat im Wahlkampf betont, jeden Tag zu beten und in der Bibel zu lesen. Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen wiederum, der sich als „nicht gläubig im engeren Sinne“ bezeichnet, hat sich am Wahlabend in der ZiB 2 bei der Asylfrage auf Kirchenvertreter berufen: Papst Franziskus, Kardinal Schönborn, Caritas-Präsident Landau und Katholische-Aktion-Präsidentin Schaffelhofer.
Strategien
Nützen Glaubensbekenntnisse und das Betonen von Gemeinsamkeiten? „Man muss schon länger nicht mehr als politischer Kandidat praktizierender Christ sein, aber man kann es sich nicht leisten, sich gegen Religion und Kirche zu positionieren“, sagt der Politologe Peter Filzmaier. Das gelte besonders beim Amt des Bundespräsidenten, der sorgsam über alle Dinge in der Republik wachen solle. „Im Übrigen denken Kandidaten auch strategisch und so sind die Aussagen wohl auch zu verstehen“, sagt Filzmaier. Der Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Europäische Wertestudie: Mehrheitlich seien die Menschen klar dafür, dass persönliche Religiosität und die Ausübung eines Amtes getrennt sind. Eines der Themen, bei dem die Positionen der beiden Stichwahlkandidaten auseinanderliegen, ist die Flüchtlingsfrage: Norbert Hofer sprach im Wahlkampf von „Invasoren“ und sieht das Sozialsystem durch „Wirtschaftsflüchtlinge gefährdet“. Alexander Van der Bellen sagt zwar, man müsse bei „Wirtschaftsflüchtlingen“ sehr zurückhaltend sein. Bei Kriegsflüchtlingen lehnt er aber eine Obergrenze ab. Politologe Filzmaier geht jedenfalls davon aus, dass das Flüchtlingsthema im zweiten Wahlkampfteil wichtig bleibt, wobei er betont, dass es dabei auch um mögliche Auswirkungen für die Bürger geht.
Kein Block
Zwar haben sich in der Kirche die Leitung, Laienvertreter und viele pfarrlich Engagierte offen gegenüber Flüchtlingen positioniert. Doch es gibt auch kritische Einstellungen dazu – auch an der Basis. Jedenfalls ist die Kirche kein einheitlicher Block. Filzmaier sieht in der Politik wie auch in den Kirchen eine Zerrissenheit: „Da gibt es die Anerkennung der Menschenrechte, der Grundrechte und der Menschenwürde sowie der Wunsch zu helfen. Gleichzeitig ist da die Sorge: Verlieren wir dadurch Zukunftsperspektiven?“ Für den Theologen Zulehner ist es kein Wunder, wenn sich in der katholischen Kirche, die ja eine Großkirche sei, die gesellschaftliche Vielfalt auch bei politischen Fragen abbilde. Die Kirche bestehe ja nicht nur aus den kirchlichen Amtsträgern, sondern aus allen Mitgliedern. Als Theologe ergänzt er: „Die Kirchenleitung in Österreich kann sich auf die Bibel und die Position von Papst Franziskus berufen, der sagt: Wir wollen ein Europa ohne Grenzen, wir wollen, dass Menschen aufgenommen werden, wenn sie Schutz suchen.“
Überbrücken
Einer Polarisierung kann Zulehner durchaus positive Aspekte abgewinnen: „Sie ist eine außerordentliche Hilfe, um Probleme genauer im Dialog zu erkennen. Es braucht aber einen Dialog des Vertrauens und keinen Dialog der Angst“, sagt der Theologe, der sich jüngst mit dem Buch „Entängstigt euch!“ in der Flüchtlingsdebatte zu Wort gemeldet hat. „Bei der Bundespräsidenten-Stichwahl ist für mich die zentrale Frage: Welcher der beiden Kandidaten steht nicht für einen Pol, sondern für das Überbrücken.“