Mehr als 500 Menschen sind nach Lenzing gekommen, um Myrna zu hören: jene Frau aus Damaskus, aus deren Händen häufig Öl tropft und die in Ekstasen Botschaften von Gott erhält. Einbildung oder was sonst?, fragte die KIZ Univ.-Prof. Andreas Resch.
Im Alter von 18 Jahren macht Maria Koubet al Akhras, was viele junge Frauen in Syrien tun: sie heiratet. Ihr Weg als Ehefrau und Mutter ist vorgezeichnet. Bis sie wenige Monate nach der Vermählung im November 1982 an ihren Händen und am Kopf eine seltsame Veränderung erfährt, die ihr Angst macht: aus den Handflächen quillt Öl, ebenso von Stirn und Hals. Dasselbe Phänomen tritt an einer handtellergroßen Papierkopie einer Ikone auf. Einige Wochen später, so erzählt Myrna, erhält sie in einer Erscheinung eine Botschaft von Maria, es folgen Ekstasen und in der Karwoche 1983 zeigen sich erstmals an Händen, Füßen, Brust und Kopf Wundmale. Die verschiedenen Phänomene kommen in unterschiedlichen Abständen vor und dauern bis heute an.
Dass Myrnas Ehe bald in die Krise gerät, ist leicht nachzuvollziehen. Schließlich trägt ihr Mann das außergewöhnliche Leben seiner Frau mit und heute sind ihre beiden Kinder am Sprung in die Selbständigkeit. Eine zentrale Botschaft in den Erscheinungen Myrnas ist der Aufruf zum Gebet in den Wohnhäusern. In ihrem eigenen Haus versammen sich daher nachmittags täglich Menschen zum Gebet. Im Laufe von zwei Jahrzehnten ist das Haus der Familie in Damaskus im Stadtteil Soufanieh zu einem Anziehungspunkt für Menschen aus aller Welt geworden.
Univ. Prof P. Andreas Resch ist in der katholischen Kirche der Experte für Phänomene, wie Myrna sie erlebt. „Man muss sehr zurück-haltend in der Beurteilung sein. 99 Prozent aller Fälle von Stigmatisierung, die mir bekannt sind, lösen sich bei genauerem Hinschauen in Luft auf”, stellt er klar. Resch hat sich auch mit den Erfahrungen von Myrna beschäftigt: „Die Phänomene von Myrna sind durch Autosuggestion nicht hervorzubringen. Es liegt keine Einbildung vor. Sie ist eines der außergewöhnlichsten Grenzphänomene, das wir in den letzten einhundert Jahren beobachten konnten.” Der Professor nimmt die Ereignisse als „natürliche” Phänomene an, ohne sich auf eine Debatte über die Durchbrechung von naturwissenschaftlichen Gesetzen einzulassen. Die Botschaften betreffend formuliert er vorsichtig: „Die Botschaften, die Myrna empfängt, gehören in den Bereich der Privatoffenbarungen und sind für keinen Christen bindend. Sie selbst ist überzeugt, dass die Botschaften von Maria und Jesus kommen.” Für die Glaubwürdigkeit dieser Botschaften ist die empfangende Person von höchster Bedeutung. Und da hat er bei Myrna einen guten Eindruck. Er entdeckt in ihr keinen Funken Fanatismus. „Der spirituelle Impuls, der von Myrna ausgeht, ist groß. Und die Aussagen schüren keine Ängste, ganz im Gegenteil: Es geht um Gebet, Familie, Frieden und die Einheit der Kirchen im Orient”. Resch warnt vor zwei Extremen: Der Glaube darf sich nicht in Leichtgläubigkeit verirren, aber auch nicht zu einem trockenen Gerüst werden. „Ich bin für die verschiedene Zugänge zum Glauben offen. In der Pluralität sehe ich eine Bereicherung”.