29.09.2004 - Mag. Maria Trenda, Autorin der Kirchenzeitungs-Reihe „Rituale“, ist Re
Der Schlag auf den Wecker und der Druck auf den Fernsehknopf: häufig markieren sie den Anfang und das Ende des Tages. Rituale öffnen uns für andere Erfahrungen.
Morgen und Abend sind verlässliche Eckpfeiler im Tagesverlauf. Sie geben einen klaren Rhythmus vor. Der Morgen eröffnet den Tag, der Abend schließt ihn ab. Aber erleben wir das wirklich so? Die Natur nimmt ihren stets gleichen Lauf. Der vorgegebene Zeitrhythmus entspricht jedoch nicht immer unserer persönlichen Verfassung. Unser Lebens- und Arbeitsrhythmus schaut oft ganz anders aus. Für manche kommt der Morgen zu früh, andere finden keine Ruhe. Rituale können uns helfen, den Übergang bewusst wahrzunehmen und zu gestalten. Sie unterstützen und begleiten uns beim Zeitenwechsel: mit dem Morgen in den neuen Tag zu gehen und am Abend wieder loszulassen – auch wenn der Kopf noch voll ist. Rituale entlasten uns und erleichtern den Umstieg von der Arbeit zur Ruhe. Sie machen eine Zäsur zwischen Tag und Nacht, zwischen Arbeit und Ruhezeit.
Ein fester Platz
Alltagsrituale müssen einfach und kurz sein, und sie brauchen die stetige Wiederholung. Erst im Laufe der Zeit entfalten sie ihre Kraft. Dementsprechend müssen sie an die jeweilige Lebenssituation angepasst sein. Für eine Mutter mit drei kleinen Kindern sieht der Tagesbeginn ganz anders aus, wie für eine allein lebende Frau. In unserer Zeit mit vollen Terminkalendern und ständigen Veränderungen ist es nicht leicht, diese kleinen Rituale im Alltag durchzuhalten. Doch gerade die gleich bleibende Tagesstruktur kann uns entlasten und den täglichen Übergang erleichtern. Ein Morgen- oder Abendritual gelingt, wenn es im persönlichen Tagesablauf ganz selbstverständlich Platz hat. Es soll nicht zur zusätzlichen Belastung werden. Das Ritual ist eine wohltuende Unterbrechung, eine persönliche Atempause am Beginn oder am Ende eines Tages. Es öffnet den Alltag auf eine andere Dimension des Lebens hin. Ich erfahre mich eingebunden in die größere Wirklichkeit Gottes. Gerade diese Erfahrung hilft, manche Belastungen des Tages besser loslassen zu können. Das Ritual lässt uns im Alltag das Dasein Gottes spüren.
Für die Praxis
Am Morgen Lebendiges Wasser. Die tägliche Dusche kann zum Ort für ein Morgen- bzw. Abendritual werden. Bewusst spüren, wie das Wasser erfrischt, reinigt und erneuert. Wie es über meinen ganzen Körper fließt, von Kopf bis Fuß. Ganz präsent sein im Augenblick und das strömende Wasser genießen. Das Wasser fließt außen und in mir drinnen. Ich spüre Ströme von lebendigem Wasser in mir. Nach dem Duschen einen kurzen Augenblick in-nehalten, dem Gefühl der Lebendigkeit im Wasser nachspüren. Abschließen mit dem Satz: „Gott, Ströme von lebendigem Wasser entspringen in dir.“Licht am Morgen. An einem gleich bleibenden Ort morgens eine Kerze anzünden mit dem Satz: „Gott, du bringst das Licht des Tages.“ Im Stehen beide Arme nach vorne öffnen. Den Lichtstrahl innerlich aufnehmen und erspüren. „Öffne mich für den neuen Tag“, Arme zur linken und zur rechten Seite hin öffnen. Kurz verweilen. Mich dem neuen Tag anvertrauen. Zum Schluss eine großen Verneigung mit dem Satz: „Segne mich und alle Menschen, denen ich begegne. Amen.“Am Abend In die Schale. Der Übergang von der Arbeitszeit zum Feierabend fällt vielen schwer. Folgendes Ritual kann dabei hilfreich sein: Ich sitze auf einem Stuhl oder stehe am Boden. Ich komme langsam zur Ruhe. Mit jedem Einatmen richte ich mich innerlich auf, mit jedem Ausatmen verankere ich mich mehr am Boden. Ich forme meine Hände zu einer Schale und halte sie vor meinen Körper. Ich lege in die Schale, was an diesem Tag war: Arbeiten, Begegnungen, Streitereien, fröhliches Lachen etc. Ich lasse Bilder und Gefühle dazukommen. Ich sehe es und halte die Schale Gott hin, indem ich die Hände und Arme leicht nach oben führe: Gott möge alles ansehen, was in dieser Schale liegt. Ich übergebe die Schale und ihren Inhalt Gott und lasse alles los. Gott möge alles, was heute war, annehmen und verwandeln. Da er annimmt, kann ich es loslassen und ruhig in die Nacht gehen. Am Schluss folgt eine Verneigung. Christiane Bundschuh-SchrammMit Kindern. Die Kinder sind schon bereit zum Schlafen gehen. An einem gleich bleibenden Ort wird die „Gute-Nacht-Kerze“ angezündet. Kinder, Vater und/oder Mutter setzen sich zur od. rund um die Kerze. Jede/r erzählt vom Tag: was sie Schönes oder Trauriges erlebt haben. Abschließend reichen sich alle die Hände und beten miteinander: „Gott, du hast den Tag gemacht, du beschützt uns durch die Nacht. Amen.“ Ein kleines Abendlied kann folgen. Die Kerze wird gelöscht, die Kinder werden zu Bett gebracht.