Die Aufnahme Marias in den Himmel bringt Leib und Seele heilsam zusammen.
Jahrhundertelang hörten die Katholiken bloß die Aufforderung: „Rette deine Seele!“ Die armen Seelen im Fegefeuer sind zu alltäglichen Begleiterinnen von Millionen geworden. Man betete und opferte für sie. Diese normale „Seelsorge“ konnte aber auch erschreckendere Formen annehmen. Wie oft übergab man die Leiber der Ketzer dem „reinigenden“ Feuer, damit deren Seelen gerettet würden. Wie viele Hexen sind verbrannt worden, auf dass der vom Satan „besetzte“ Leib vernichtet werde? Gerade der weibliche Leib! Wie viele Büßer/- innen malträtierten ihre Leiber? Bloß, damit das sündige Begehren nicht überhand nehme. Und wie viele Frauen müssen bis heute ihre Leiber verkaufen, damit sie selber über die Runden kommen, aber auch damit das Begehren der Männer „im Zaum“ gehalten werde?
Der verwertete Leib
So oder anders gewendet: Allzu viel Ehre hat man dem Leib nicht erwiesen. Das wenige, das die kirchliche Dogmatik zum Thema „Leib“ zu sagen hatte, war: Er wurde von Gott geschaffen und er wird auch auferweckt. Am letzten Tage! Dazwischen ein langer Leerlauf. Und auch die Instrumentalisierung des Leibes. Im Dienste der Seele, des Begehrens, der Wissenschaft, der Wirtschaft. Und der Banalität des Bösen!Der Schock über die industriell organisierte Menschenvernichtung saß ja den Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg noch tief in den Knochen. Auch die Kraft der Bilder hat sich noch nicht abgenutzt. Die ausgemergelten KZ-Häftlinge: bis auf das Skelett ausgehungert! Die Berge von Asche aus den verbrannten Leichen! Und der zynische Erweis des Wertes eines menschlichen Körpers in einer gottlosen Welt: Verwertet bis auf den letzten Groschen! Ansonsten nutzlos. Die Banalität der Teufelskreise der Lüge und Gewalt zeigte ihre erschreckende Fratze gerade im 20. Jahrhundert.
In diese Nachkriegswelt hinein verkündet Papst Pius XII. am 1. November 1950 das zweite marianische Dogma: Maria sei „mit Leib und Seele“ in den Himmel aufgenommen worden. Damit korrigierte er die einseitige „Seelsorge“ zugunsten von „Leib und Seele“. Er vollendete aber auch jenen Weg, den die Kirche 1854 mit dem ersten Mariendogma eingeschlagen hat: Marianische Frömmigkeit als Alternative zu den Sackgassen der Moderne. Die Moderne sucht zwar die Teufelskreise des Bösen mit Gewalt zu unterbrechen, häuft aber gerade deswegen Leichenberge auf. Auch Gott unterbricht! Er tut dies aber nicht mit Gewalt und auch nicht auf eine abstrakte Art und Weise. Er begnadet konkrete Menschen, befähigt sie zum Guten. Und er selber gibt die einzig mögliche Antwort auf die fortschreitende Banalisierung, Verachtung und Erniedrigung des menschlichen Leibes. Es ist die Vollendung des Menschen in seiner – ganz konkreten – Leiblichkeit. An Maria können die Gläubigen die Wahrheit über ihre eigene Leiblichkeit ablesen. Und diese zu schätzen und auch zu lieben lernen.
Gott liebt uns auch ungestylt
Wozu soll das gut sein? Gerade im Zeitalter der Schönheitschirurgen, der Top-Models, der Bodybuilding-Studios und auch der Magersucht? Im Zeitalter der Träume vom Cybersex? So paradox es klingt: Unter dem Vorwand der Leibfreundlichkeit vernichten wir inzwischen unsere Körper. Zwar nicht, um die Seele zu retten, sondern um uns einen neuen Leib zu schaffen. Wir sind aber damit in eine noch schlimmere Sackgasse geraten als das Mittelalter. Dieses hoffte zumindest auf das Heil der Seele. Uns bleibt nur die lebenslange Unzufriedenheit mit, oft auch der Hass auf sich selber und den eigenen Leib.
Es ist befreiend zu erfahren, dass Gott meinen konkreten Leib liebt und ihn auch so vollendet. So wie er dies bei Maria getan hat. So etwas schützt! Vor der Vergewaltigung seiner selbst. Und auch der anderen.
DAS ZITAT
Maria nimmt an der Herrlichkeit ihres Sohnes teil, an jener Herrlichkeit, deren Anfang seine Auferstehung war. Das sagt uns Paulus im ersten Korintherbrief, wo er schreibt: „Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden. Und alle, die zu ihm gehören, werden ihm folgen.“ Und wer gehört mehr zu Christus als seine Mutter?Am Tag der Verkündigung legt die Liturgie der Kirche Maria ihre eigenen Worte in den Mund: „Großes hat an mir getan der Allmächtige.“ Zwischen Mariä Heimsuchung und Mariä Himmelfahrt gibt es eine Kontinuität. Diejenige, in der Gott selbst auf einzigartige Weise gewohnt hat, beginnt nun selbst im dreieinen Gott zu wohnen, mit Leib und Seele.
Papst Johannes Paul II.
MARIA IM BLICK
Univ.-Prof. Dr. Jozef Niewiadomski lehrt Dogmatik an der Universität Innsbruck. Anlässlich 150-Jahre-Mariendogma (ohne Erbschuld empfangen) fragt er aus unserer Zeit heraus nach Maria.