In Schweden, Norwegen, Nordirland und seit kurzem auch in Frankreich ist der Kauf von Sex gesetzlich verboten. Sr. Lea Ackermann, die sich seit vielen Jahren für sexuell ausgebeutete Frauen einsetzt, fordert, dass dieses Gesetz auch in anderen EU-Ländern verankert wird.
Ausgabe: 2016/20
17.05.2016 - Susanne Huber
Lea Ackermann ist empört. „In einer Gesellschaft von Gleichen kann die eine Hälfte nicht die andere kaufen. Das geht nicht. In der Prostitution gibt es keine Gleichwertigkeit“. Die Ordensfrau kann nicht verstehen, dass es in Deutschland und auch in Österreich kein Gesetz gibt wie in Schweden oder Norwegen, das den Kauf von Sex verbietet. „Die Frauen werden dabei nicht zur Rechenschaft gezogen, sie machen sich nicht strafbar. Aber jenen, die den Markt nutzen, das sind die Freier, ist es verboten, Sex zu kaufen. Wenn es keinen Markt gibt, dann werden auch keine Frauen angeboten. Das ist ein Paradigmenwechsel, den ich unbedingt für richtig halte in einer modernen Gesellschaft, wo Gerechtigkeit und Friede herrschen sollen. Und das geht nicht, wenn man Frauen und Kinder durch Prostitution ausbeutet. Deshalb fordern wir von Solwodi, den Kauf von Sex auch in Deutschland und anderen Ländern zu verbieten.“
In Deutschland sieht die Gesetzeslage seit 2002 so aus, dass Prostitution als Beruf wie jeder andere anerkannt wird. Ursprünglich war die Idee dahinter, dass sich die Frauen versichern können. Doch das habe nicht geklappt, erzählt Lea Ackermann, die unlängst auf Einladung von Missio in Österreich war. „Der Großteil der Frauen ist nach wie vor nicht versichert. Dieses Gesetz hat keine Vorteile gebracht. Es hat dazu geführt, dass Deutschland als das Bordell Europas gilt, weil wir das liberalste Gesetz diesbezüglich haben.“ In Österreich ist die gewerbsmäßige Prostitution von Erwachsenen nicht strafbar. Allerdings ist es für Prostituierte nicht möglich, in einem Angestelltenverhältnis zu arbeiten, sondern sie gelten als selbständige Erwerbstätige.
Nicht freiwillig
Seit 30 Jahren engagiert sich Sr. Lea Ackermann für Prostituierte und hilft ihnen über die von ihr gegründete Hilfsorganisation Solwodi (siehe Randspalte), Wege aus der Prostitution aufzuzeigen. „Es gibt diese Mythen wo es heißt, die Frauen machen das ja freiwillig. Ich behaupte heute, keine Frau macht das freiwillig. Irgendetwas ist da in deren Leben schiefgelaufen.“ Entweder habe es frühkindliche Übergriffe gegeben, so Lea Ackermann; oder sie waren in ihren Familien nicht anerkannt und man habe sie nicht wertgeschätzt. „Und wenn dann irgendjemand kommt und junge Frauen zum Beispiel gezielt über die Loverboy-Methode in sich verliebt macht und sagt, du bist die Schönste, dann kann der alles mit ihnen machen, weil sie nie Wertschätzung erfahren haben.“
Krankheit
Die Arbeit mit Betroffenen habe gezeigt, dass Frauen, die in der Prostitution waren und dann rauskommen, alle traumatisiert seien, sagt die Ordensschwester. „Prostitution macht krank, psychisch und physisch. Eine Psychotherapeutin, mit der wir zusammenarbeiten und die seit langem Frauen aus der Prostitution behandelt, betreut seit zwei Jahren auch die Gegenseite, die Freier. Sie erzählt, sie hätte sich nie vorstellen können, welches Elend auch das auslöst. Die Männer werden sexsüchtig. Das ist eine Krankheit. Darüber wird ja nie gesprochen.“ Sie müssten immer öfter Prostituierte aufsuchen, werden immer gewalttätiger, immer brutaler, um sich noch zu befriedigen. „Es ist ein unsägliches Elend, das dann in den Familien herrscht, denn es sind ja unter den Freiern auch Väter. Wenn ich so etwas höre, denke ich, welche Gesellschaft kann sich diesen freien Umgang mit den Problemen der Prostitution leisten? Es macht die Frauen kaputt, es macht die Sexkäufer kaputt und deren Familien und Kinder. Es gibt keinen Grund mehr, dem nicht einen klaren Riegel vorzuschieben.“
Enttabuisieren
Das Thema Prostitution wird in der Öffentlichkeit meist unter den Teppich gekehrt. „Es ist das Nichtwissen und das Nichtwissenwollen. Man setzt sich mit diesem Problem nicht auseinander. Ich denke, man sollte das aus der Tabuebene nehmen und darüber reden.“ Jenen, die sagen, Prostitution könne man durch Verbot nicht aus der Welt schaffen, entgegnet Sr. Lea Ackermann: „Wir haben auch ein Gesetz, das verbietet Diebstahl. Kein Mensch käme auf die Idee und würde sagen, das Gesetz können wir abschaffen, da trotzdem geklaut wird. Ich denke, eine Gesellschaft muss sich überlegen, wie sie miteinander gut umgeht. Und Gesetze haben Symbolgehalt.“
Solidarität mit Frauen in Not
Die deutsche Ordensfrau Lea Ackermann (Missionsschwester Unserer Lieben Frau von Afrika) ist Gründerin der international tätigen Organisation Solwodi (Solidarity with women in distress; Solidarität mit Frauen in Not). Während ihres Missionseinsatzes in Kenia 1985 hat sie das Elend der sexuell ausgebeuteten Frauen und Mädchen so stark berührt, dass sie den Verein Solwodi ins Leben rief, der sich für Frauen und Kinder einsetzt, die Opfer von Menschenhandel, Zwangsprostitution, Beziehungsgewalt und Zwangsehen sind.
Beratungsstellen der Organisation gibt es neben Deutschland und Afrika u. a. in Österreich und Rumänien. Dort werden Frauen Wege aus der Prostitution eröffnet. In Kenia wurden Schul-, Wasser- und Fußballprojekte gestartet, um den Menschen zu ermöglichen, der extremen Armut zu entkommen.
- www.solwodi.at
- www.solwodi.de
- www.stoppsexkauf.at