Ausgabe: 2005/03, Christus, Glaube, Schönborn, Kardinal
19.01.2005 - Kirchenzeitung der Diözese Linz
Mit Jesus Christus und dem Zeitgeist befasste sich vergangene Woche die Österreichische Pastoraltagung. Kardinal Schönborn sprach dabei über „Mit Christus heute leben“.
Als Leitwort für seine Ausführungen verwendete Kardinal Christoph Schönborn den Beginn des ersten Johannesbriefes (Verse 1 bis 4). Daraus leitete er drei Aspekte ab, was „auch heute ein Leben mit Christus ausmacht“:
Die Gabe
Was von Anfang an war, was wir gehört … haben, das verkünden wir: das Wort des Lebens … (1 Joh 1, 1–2). Was von Anfang an war, ist nichts anderes als das Wort, das bei Gott war und das selbst Gott war. Durch dieses Wort ist alles geworden, heißt es im Johannesevangelium. Nicht, was sich die Jünger selber erdacht oder eingeredet haben, drängte sie hinauszugehen, sondern das Wort, das ihnen offenbart worden ist. Daraus wird deutlich: Leben mit Christus ist zunächst einmal eine Gabe, ein Geschenk. Die Jünger haben dieses Wort von Jesus empfangen, er hat sie in ihrer alltäglichen Lebenssituation angesprochen. Und aus ihrem Leben wird deutlich: Es waren keine Übermenschen. Das zeigt uns, dass das Entscheidende jeder Berufung bei Gott allein liegt. Das Leben der Jünger aber zeigt uns auch, dass die einmal an sie ergangene Berufung kein fester Besitz ist, sondern von Zweifeln, Unsicherheiten und Ängsten immer wieder verdunkelt wird (wenn wir z. B. an Petrus denken, an Thomas oder die Emmausjünger). Wie schon bei den Jüngern steht auch bei uns am Beginn nicht eine besondere Qualifikation oder Leistung, sondern einzig und allein die Berufung durch Gott – vermittelt oder geweckt auch durch konkrete Menschen oder Erlebnisse. Erst danach gehen wir – wie auch die Jünger – gleichsam in die Schule Jesu, werden Begeisterte, die es drängt, das Empfangene weiterzugeben.
Die Aufgabe
„Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt (1 Joh 1, 3a). Die Gabe Jesu, sein Geschenk, ist den Jüngern zur Aufgabe geworden. Maßstab für das Handeln der Jünger ist Jesus selbst, das, was sie gesehen und gehört haben. Für uns heißt das: Wo können wir ihn sehen, wo ihn hören?Zum einen möchte ich da die Sakramente nennen, die Zeichen, in denen Gott unter uns sichtbar wird, in denen er sich zeigt als der uns nahe, liebende und heilende Gott. Unter den sieben Sakramenten stellt die Feier der Eucharistie die Quelle und den Höhepunkt des ganzen kirchlichen Lebens dar (vgl Vatikanum II, LG 11), aus ihr lebt und wächst die Kirche, durch sie werden wir mit Gott und mit allen Glaubenden immer stärker verbunden. Als ein weiteres Beispiel weise ich auf das Sakrament der Buße hin: durch die Sünde von Gott getrennt erhalten wir durch seine Barmherzigkeit Verzeihung und werden zugleich mit der Kirche versöhnt.
Und schließlich möchte ich noch auf das Gebet hinweisen, in dem ich zum Hörenden werde für das, was Gott mir zu sagen hat. Nicht meine vielen Worte sind es, worauf es beim Beten ankommt, sondern meine lebendige Beziehung zu ihm.
Beziehung lebt wesentlich von der Bereitschaft, auf jemanden hinzuhören, sich ihm zu öffnen, aber auch von der Treue und Regelmäßigkeit der Begegnung. Durch das betrachtende Gebet werde ich zum Lernenden in der Schule Jesu; das Stundengebet der Kirche wiederum kann eine große Hilfe sein, die regelmäßige Begegnung zu leben, auch durch manche Durststrecken hindurch.
Quelle und Ziel
So haben wir Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus (1, 3b) im Heiligen Geist. Es ist der Heilige Geist, der diese Gemeinschaft bewirkt. Solange er nicht gekommen war, hatten die Jünger Angst und sperrten sich ein. Erst durch das Pfingsterlebnis wird ihre Gemeinschaft gefestigt und auf andere hin geöffnet. Der Heilige Geist ist das lebendige Prinzip der Kirche. Er lässt uns nicht müde werden, Zeugnis zu geben vom Glauben, der uns hält, von der Hoffnung, die uns stärkt, von der Liebe, die uns erfüllt. Dieses Leben mit Christus darf aber nicht zu einem Aktivismus ausarten, der uns mit hängender Zunge herumhetzen lässt, sondern erfüllt sich vielmehr im Ruhen am Herzen des Vaters, wie auch der Sohn am Herzen des Vaters ruht (Joh 1, 18). Denn er ist es, der wirkt, sammelt, heilt und vollendet. Wir sind nur Diener Christi. Dieses Ruhen befreit uns allerdings nicht vom Arbeiten (im Weinberg) und Tun, es soll uns aber dahin zurückbinden, von wo aus es sich nährt: in das Geheimnis des dreifaltigen Gottes. In diesem Mysterium der Liebe leben wir und sind wir. So sollen wir immer wieder in dieses Geheimnis eintauchen, damit sich Gottes Wirken durch unser Leben kraftvoll entwickeln kann.
Zur Person
Kardinal Christoph Schönborn feiert am 22. Jänner seinen 60. Geburtstag. Er wurde 1945 in Skalsko in Böhmen geboren und wuchs nach der Flucht der Familie in Vorarlberg auf. 1963 trat er in den Dominikanerorden ein und studierte in Wien, Paris und Regensburg (bei Ratzinger). Von 1973 bis 75 war er Studentenseelsorger in Graz. Ab 1975 lehrte er an der Universität Fribourg Dogmatik. 1987 wurde er Redaktionssekretär für den Weltkatechismus. 1991 wurde Schönborn Weihbischof von Wien, seit 14. September 1995 ist er Erzbischof, seit 1998 Kardinal. Vor fünf Jahren übernahm er auch den Vorsitz in der Österreichischen Bischofskonferenz.