Ein Friedhof und Bräuche rund um das Sterben sagen ebensoviel über das Leben wie über den Tod. Die Leiterin der Kulturabteilung von Ried, Sieglinde Frohmann stellt bei der Langen Nacht der Kirchen Begräbnis-Riten vor, die wenig bekannt oder in Vergessenheit geraten sind.
Ausgabe: 2016/22
31.05.2016 - Josef Wallner
In der Fülle der Schwanthaler Arbeiten und unzähliger anderer kunstgeschichtlich herausragender Exponate würde man sicher an den etwa dreißig Zentimeter hohen Metallkronen achtlos vorbeigehen, wenn Sieglinde Frohmann nicht davor stehen bleiben und hinzeigen würde. Bei den unscheinbaren Objekten handelt es sich um Totenkronen, erklärt die Verantwortliche des Museums Innviertler Volkskundehaus in Ried. Einige dieser Exemplare hat sie in der Sammlung. Die Verwendung von Totenkronen wurzelt im archaischen Denken: ein Mensch, der unverheiratet gestorben war, der keine Familie gegründet und keine Kinder in die Welt gesetzt hatte, dessen Leben hatte den letzten Sinn verfehlt. Im Tod wurde dieser Mangel gut gemacht und die Eheschließung nachgeholt, so die magische Vorstellung. Als Zeichen dafür legte man eine Brautkrone, wie sie bei Hochzeiten üblich war, in oder auf den Sarg. Aus Mähren ist der Brauch überliefert, dass man die Krone in das Grab warf und dabei sagte: „Es war dir im Leben nicht beschieden“ – gemeint war die Ehe – „so sei es dir im Tode.“ Manchmal wird die Krone auch als Krönung eines tugendhaften Lebens gedeutet.
Die Leihkronen
Der Brauch lässt sich nicht auf eine einzige Erklärung zurückführen, er war aber ab dem 16. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum und in den angrenzenden Regionen, im Norden bis nach Skandinavien, weit verbreitet. Dabei gab es zwischen katholischen und protestantischen Gebieten keinen Unterschied. Da die Kronen für die Hinterbliebenen sehr kostspielig waren und sogar zu Verschuldung führen konnten, versuchte die Obrigkeit im 17. und 18. Jahrhundert diese Sitte abzuschaffen. Doch ohne durchschlagenden Erfolg. Auch die Aufklärer mit ihrem Appell an die Vernunft konnten diesem Bestattungskult kein Ende setzen. Aus Kostengründen kam es lediglich zu einer Abschwächung. Statt der sündhaft teuren Eigenkronen kam es zu Leihkronen, die von den Pfarren gegen eine moderate Gebühr zur Verfügung gestellt und oft auch in der Kirche aufbewahrt wurden. Solche Leihkronen sind im Innviertler Volkskundehaus zu sehen. Leider ist deren Herkunft nicht mehr nachzuvollziehen, erklärt Frohmann. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahm der Brauch deutlich ab. Für das Innviertel – für den Raum Schardenberg – können aber letztmalige Verwendungen von Totenkronen noch bis in die 1970er Jahre belegt werden, schreibt Matthias Huber in seinem Artikel „Bahrtuch und Totenkrone“, der 2013 in dem Jahrbuch „Der Bundschuh“ erschienen ist.
Ein interessantes Stück der Bestattungskultur, das in Ried zu sehen ist, stellt auch ein Kranz aus Draht dar, der mit industriell gefertigten Perlen verziert ist. Die Produktionsweise der Perlen weist in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts als Entstehungszeit. Solche Kränze hingen jahrelang an den Grabdenkmälern, bis sie im Laufe der Zeit zerbrachen. Diese Kränze wird Sieglinde Frohmann ebenso zum Thema machen wie die Konduktsemmeln.
Viele Vergelt‘s Gott
In manchen Gebieten Österreichs liegt beim Totenmahl bei jedem Gedeck eine etwas größere Semmel, die mit Anis bestreut ist. In Franz Stelzhamers Mundartepos „Da Soldatenvöda“ aus dem Jahr 1843 ist ein Begräbnis beschrieben. An jeden, der zum Requiem gekommen war, wurde eine Anissemmel ausgeteilt. „Damit möglichst viele Vergelt‘s Gott zusammenkommen“, erläuterte Stelzhamer. Wie bei anderen Bräuchen ist es schwierig, seine Herkunft zu bestimmen. Doch Frohmann erklärt: So unterschiedlich die Gänge bei der Zehrung auch sind, ein weißes Gebäck, das es bis weit ins 20. Jahrhundert nur bei feierlichen Anlässen gab, fehlt in keiner Beschreibung eines Totenmahls.
- In Ried im Innkreis steht bei der Langen Nacht der Kirchen, am 10. Juni 2016 von 19 bis 22.15 Uhr, der Stadtfriedhof im Zentrum. Sieglinde Frohmann referiert von 20.45 bis 21.30 Uhr über „Arme Seelen, Totenkronen und Konduktsemmeln“.