Ausgabe: 2005/26, Gedenkjahr, Lebens- und Glaubenszeugnisse, Tschechoslowakei, Eleonore Schönborn,
01.07.2005 - Wolfgang Ölz
1945 wurde sie aus der Tschechoslowakei vertrieben. In Vorarlberg fand sie ein neue Heimat. Eleonore Schönborn erinnert sich.
Die Dominikanerinnen von Bludenz veranstalteten in ihrem Kloster St. Peter einen Flohmarkt für die Renovierung. Im Klostergarten treffe ich bei Kaffee und Kuchen Frau Eleonore Schönborn. Die rüstige Dame fuhr mit ihren 85 Jahren noch mit dem eigenen Auto aus dem Montafon (Schruns) heraus. Dort hat sie nach der Vertreibung aus der Tschechoslowakei und unruhigen „Wanderjahren“ mit ihrer Familie eine neue Heimat gefunden. Zum Kloster hat sie seit vielen Jahren eine besondere Beziehung. Ihr Sohn Christoph, jetzt Kardinal in Wien, hat hier zum ersten Mal gespürt, dass Gott ihn zum Ordensleben ruft. Beim Weltjugendtag in Rom hat er davon erzählt.
Am 8. Mai 1945 war der Krieg zu Ende. In der damaligen Tschechoslowakei hat Präsident Benes per Dekret regiert, weil es keine Verfassung gegeben hat. Ein Teil dieser Dekrete sah die Vertreibung der Deutschen vor. Die Siegermächte hatten zugestimmt, die Deutschen unter „humanen Bedingungen“ auszusiedeln. „Das hat dann so ausgeschaut, dass sie ins Haus gekommen sind und gesagt haben, in einer halben Stunde seid ihr draußen – mit dem, was ihr tragen könnt“, erinnert sich Eleonore Schönborn. Viele sind damals nicht nur um ihr Hab und Gut, sondern auch um ihr Leben gekommen. Frau Schönborn hatte in dieser wirren Zeit noch Glück. Da ihr Vater gebürtiger Österreicher war, kümmerte sich die österreichische Botschaft um sie. Als Kurier getarnt konnte sie im August 1945 nach Wien fliehen. Eingefädelt hat das der legendäre Botschafter Ferdinand Marek, der tausenden Menschen das Leben gerettet hat. Er selbst wurde später von den Russen verschleppt, ohne dass man je wieder von ihm gehört hat. Die Schönborns mussten in der Tschechei einen großen Besitz zurücklassen. Vom herrschaftlichen Schloss vertrieben, landeten sie zunächst in einer Dachkammer in Graz. Ihr Haus in Schruns hat die Familie erst 1960 nach jahrelangem Umherziehen und Wohnen bei Verwandten gebaut. Ihr Mann hatte sich immer geweigert, deutscher Offizier zu werden, was ihn bis in eine Strafkompanie gebracht hat. Er ist aus Stalingrad herausgekommen und hat dann in Belgien die Front gewechselt. Bei Kriegsende kämpfte er in einer englischen Einheit. Nach seiner Rückkehr versuchte er, als akademischer Maler mehr schlecht als recht mit seiner Familie über die Runden zu kommen. Doch das Glück in der kleinen Grazer Wohnung dauerte nicht lang. Denn bald erkrankte ihr Mann an einer schweren Tuberkulose. Er musste zur Heilung nach Davos gehen. „1950 war es dann soweit, dass wir überhaupt kein Geld mehr hatten“, erzählt Eleonore Schönborn. Der letzte Schmuck war verkauft. Da ist sie nach Feldkirch und hat sich um eine Arbeit umgesehen. In Bludenz ist sie Chefsekretärin bei einer großen Textilfirma geworden und hat sich dann immer mehr eingelebt. Die Kinder haben zu Beginn den Dialekt nicht verstanden und sind als Fremde auf dem Schulweg sogar mit Steinen beworfen worden. Sie hat dann eine Kindergärtnerin eingestellt, die den Kindern die Vorarlberger Mundart sehr rasch beigebracht hat. Heute sagt sie, dass sie hier im Montafon und nirgendwo anders daheim ist. Sie hat sich im Lauf der Jahre auch in der politischen und kirchlichen Gemeinde engagiert. Auf die Frage, wie ihr in all dem der Glaube geholfen hat, sagt Frau Schönborn: „Nur der Glaube hat geholfen, nur der Glaube. Die erste Frage, wenn ich in einen neuen Ort komme, ist, wo ist hier die Kirche.“ Dabei sei sie eher liberal erzogen worden: „Aber was man heute vergisst, ist, dass zu unserer Zeit, als wir jung waren, in den 20er, 30er Jahren, Religion kein Thema war. Man war einfach katholisch. Man ist am Sonntag in die Kirche, man hat die großen Festtage gefeiert usw. Das war einfach selbstverständlich, nicht so wie jetzt, wo es große Diskussionen gibt über glauben und nicht glauben.“