Ausgabe: 2005/29, Gedenkjahr, Lebens- und Glaubenszeugnisse, Glaube und Leben, Nenning,
20.07.2005 - Walter Greußing
Seine Weigerung, die „freiwillige Auflösung der Katho-lischen Jugend Dornbirn“ zu erklären, bestraften die Nazis mit der Einberufung zur Wehrmacht. Dafür hatte Kaplan Anton Nenning am Kriegsende unglaubliches Glück.
„Das war eine Überraschung, als der Kompaniechef mir eröffnete, dass ich vom 23. April bis 7. Mai 1945 noch Heimaturlaub bekomme“, wundert sich Altdekan Anton Nenning noch heute. Per Autostopp fuhr er von Turin Richtung Innsbruck. Am Brenner wollte man den Sanitäter nicht über die Grenze lassen – wegen der allgemein verhängten Urlaubssperre. Erst nach telefonischer Rücksprache mit seinem Vorgesetzten ging es weiter. In Dornbirn begrüßte ihn sein Dekan mit dem Ausruf: „Bist es du, oder ist es dein Geist?“ Anfang Mai wurde Vorarlberg von den französischen Truppen besetzt. Nenning radelte heim nach Hittisau, wobei ihm unzählige Soldaten auf der Flucht von Deutschland nach Österreich entgegenkamen. „Im Elternhaus zog ich den Militärrock aus und die Priesterkleidung an. Eine Vorsprache von Dekan Treitner beim französischen Ortskommandanten erwirkte mir den Entlassschein, die Gefangenschaft war abgewendet.“ Und einen Tag nach dem Urlaubsende war dann auch der Krieg zu Ende.
Anton Nenning erinnert sich an seine damalige Stimmung: „Nun ist der Schwindel vorbei, wir können wieder arbeiten.“ In seinem ersten Priesterjahr 1939 waren die Glaubensstunden mit den Jugendlichen noch von HJ-Führern kontrolliert und schließlich ganz verboten worden. Das war nun Vergangenheit. Für die Heimkehrkapläne hatte Bischof Paulus Rusch einen theologischen Monatskurs veranstaltet. Bereits im Herbst begann Anton Nenning mit dem Religionsunterricht und den Jugendstunden. „Ihr seid keine Sklaven, keine Maschinen, Söhne und Töchter Gottes seid ihr und Mitarbeiter Gottes!“ So gab der Arbeiterpriester Josef Cardijn der Jugendpastoral eine weite Sicht. Der Aufruf zeigte Wirkung. 5000 kamen 1952 zum Jugendtag nach Dornbirn. Unvergessen ist die Wallfahrt der KAJ mit Cardijn nach Mariazell (1954) mit den Weihekerzen der Diözesen für die verfolgte Kirche. „1957 schenkte uns das Treffen in Rom ein bleibendes Erlebnis von Weltkirche“, berichtet Nenning. Die berufliche Gliederung der Jugendgemeinschaften – Landjugend, Arbeiterjugend, Studierende Jugend – wollte in das Milieu der jungen Menschen hineinwirken. „Tragt Sorge füreinander – das war eine Jahreslosung“, erinnert sich der Jugendseelsorger. Zu den genannten Gliederungen kamen noch allgemeine Gruppen, vor allem für die Mädchen. Vom Gymnasium Feldkirch war Nenning der Schüler Erwin Kräutler aufgefallen. Er hätte ihn gerne für die Studierende Jugend gewonnen. „Das ging nicht, weil er ein Fahrschüler war. Dafür hat er in seinem Dorf Koblach eine Aktivistengruppe von Jugendlichen geleitet“, erzählt Nenning. Und dass für den heutigen Bischof von Xingu in Brasilien die Arbeit in der Katholischen Jugend mitentscheidend gewesen ist für seine Berufung.
Aus der Bedrückung in die Freiheit gelangte auch unser Vaterland, so Nenning. Die Bundesführung der KJ schrieb: „Mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages haben Unfreiheit und Besetzung ihr Ende gefunden. Das beharrliche Gebet und die harte Arbeit haben uns die Freiheit errungen. Wir wollen unser Volk lieben und für die Zukunft Österreichs arbeiten. Wir wollen das öffentliche Leben und die soziale Ordnung in christlichem Geist erneuern. In der Liebe zu Österreich soll uns niemand übertreffen.“
Die Vielfalt der Jugendpastoral brachte ein Zeichen der Einheit hervor: den Bau des Jugendhauses in Arbogast. Bei der Einweihung 1960 meinte der Begründer der Katholischen Arbeiterjugend Josef Cardijn: „Das ist ein Seminar für Laien. Einheit in der Vielfalt oder Vielfalt in der Einheit.“ Was sich Nenning heute wünscht? „Die Nostalgie dieser Tage kann zur Eschatologie werden: Unser Zurück-Denken soll zum Vorwärts-Wirken führen. Aus der Unterdrückung wurde uns eine weite Kirche und ein freies Vaterland geschenkt. Der Zusammenhalt bleibt die Bewährung.“ Walter Greußing