27.07.2005 - Kirchenzeitung der Diözese Linz, Helene Daxecker-Okon
Heinz Schramm hat ein gutes Gedächtnis. Seine Erinnerungen hat der pensionierte Pfarrer in einer 65-bändigen Familienchronik zusammengefasst. Mit Band sechs beginnt die Nachkriegszeit. „Meine Hauptaufgabe damals war die Jugendarbeit“, sagt der heute 84-Jährige. Bereits 1945 und noch in englischer Gefangenschaft habe er sich Gedanken zur Bildung der Jugend gemacht. Im selben Jahr kehrte er zurück in seine Heimatstadt, „ins zertrümmerte Innsbruck“.
„Sobald wie möglich bin ich ins Canisianum eingerückt“, sagt Schramm. 1947, noch während seines Studiums, wurde er zum Priester geweiht. Das Pfarrvikariat im Innsbrucker Stadtteil Saggen wurde sein erster Arbeitsplatz. Die Zeiten waren rau; Schramm stand nicht einmal ein Zimmer zur Verfügung. „Ich wollte schon ein Militärzelt im Hof aufstellen.“Als Kooperator sollte er die jungen Menschen stärker in der Kirche beheimaten. „Die Jugend war teilweise religiös ausgehungert“, erinnert sich der Geistliche. Gewissensbildung und Gemeinschaft waren seine Ziele. „Ich habe viele Einzel- und Beichtgespräche geführt.“ Mit seinem Engagement konnte er einige Burschen und „sicher fünfzig Mädchen“ für einen geistlichen Beruf überzeugen.
Schitouren und Romfahrten
Liturgie und Abenteuer konnte Schramm vor allem bei den Lagerfahrten verknüpfen. „Wir haben jeden Tag im Freien die Messe gefeiert. Die Jungen sind da ganz selbstverständlich hineingewachsen.“ Und: „Ganze Generationen haben bei mir Schi fahren gelernt.“ Aufgrund seiner Kriegs-Erfahrungen in Russland hätten die jungen Menschen manchmal ein wenig militärische Härte gespürt, fügt er verschmitzt hinzu: „Wir sind zur Hütte gewandert, haben dort ein Glas Tee getrunken und die Schitour hat begonnen. Zum Essen war nichts da.“ Ab dem Heiligen Jahr 1950 organisierte Schramm u. a. mit seinem Bruder Joachim zweimal jährlich eine Jugendreise nach Rom. „Diese Fahrten waren sehr erlebnis-bezogene Glaubenskurse.“
„Für eine bessere Welt“
Neben den Lagerfahrten und Ausflügen fanden wöchentlich Gruppenstunden und regelmäßig Ausbildungstreffen für Jugendleiter statt. Schramm zieht einen Ordner aus dem Regal und zeigt auf ein Bild: Zu sehen sind zehn junge Frauen, allesamt Gruppenleiterinnen für die Mädchen in seinem Pfarrvikariat. „1955 kamen jede Woche 500 junge Menschen ins Haus“, erzählt Heinz Schramm – noch immer spürbar begeistert. Auch das Pfarrleben abseits der Jugendarbeit erlebte in den Jahren nach dem Krieg einen mächtigen Aufschwung. „Bischof Rusch war an allen neuen Bewegungen interessiert“, erzählt Schramm. Mehr als einmal beauftragte er den Seelsorger, sich in neue pastorale Theorien einzu-lesen und diese bei Gefallen gleich umzusetzen. Eine Reise zu Beginn der 1950er Jahre mit einer pfarrlichen Gruppe nach Rocca di Papa im Süden Italiens blieb ihm in besonderer Erinnerung. Priester wie Laien besuchten dort Kurse der „Bewegung für eine bessere Welt“. Die Bewegung mit dem Schwerpunkt „Pfarrerneuerung“ war nach dem Krieg vom Jesuitenpater Riccardo Lombardi gegründet worden. Schramm ist damals beglückend aufgegangen, was Kirche sein kann: Gelebtes Miteinander. Daheim entstanden in der Folge 15 pfarrliche Arbeitskreise zu verschiedenen Themen. Sehr vieles sei damals nebenbei gelaufen, erinnert sich der Priester, und dass er manchmal erst um ein Uhr nachts ins Bett gekommen sei . . . Helene Daxecker-Okon