In großer Geschwindigkeit hat sich eine nachchristliche Gesellschaft gebildet, in der Gott und Religion für die Menschen irrelevant geworden sind. Was in dieser Situation kirchliche Erwachsenenbildung leisten kann, darüber sprach letzten Freitag Sr. Melanie Wolfers beim Festakt zum 30-Jahr-Jubiläum des Franziskushauses in Ried im Innkreis.
Ausgabe: 2016/23, nachchristlich, Gott, Religion, Erwachsenenbildung, Sr. Melanie Wolfers, Franziskushaus, Ried im Innkreis
07.06.2016 - Matthäus Fellinger
„Die Religiöse Sprache ist zur Fremdsprache geworden, selbst wenn sie in Deutsch daherkommt“, sagt Sr. Melanie Wolfers SDS. Die Salvatorianerin stammt aus Norddeutschland, einer Gegend, in der es nur ganz wenige Christinnen und Christen gibt. Was sie in der Kindheit erlebt hat, ist heute fast überall der Fall: dass man einfach nicht mehr verstanden wird, wenn man von Gott und Glaube spricht. „Beten wird auch erklärungsbedürftig sein“, meint Sr. Wolfers. Viele wüssten einfach nicht, was man tut, wenn man betet.
Ein Beispiel erzählt sie. Da wollten ein paar Christinnen und Christen im vorweihnachtlichen Trubel eines Einkaufszentrums einer größeren Stadt Weihnachtslieder singen. „Jetzt reißen die sich Weihnachten auch noch unter den Nagel“, stießen sie bei den Leuten dort auf Ablehnung. Weihnachten bedeutet für sie Christbaum und Weihnachtsmann – sonst nichts.
Facebook – das Buch der Gesichter
Die kirchliche Bildungsarbeit ist für Melanie Wolfers zum Sprachlabor geworden. Das entscheidende Glaubensbuch, mit dem Menschen heute zu Gott finden, sei dabei für viele nicht mehr die Bibel, sondern das „Buch der Gesichter“ – wörtlich „Facebook“. „Wussten Sie, dass mehr Menschen auf der Welt ein Handy besitzen als eine Zahnbürste?“, fragt Wolfers die Gäste beim Festakt. Nein, wusste man nicht. „Vielleicht“ – vermutet Wolfers – „fasziniert Facebook so sehr, weil das Versprechen mitschwingt: Da ist jemand, der an meinem Profil Interesse hat. Schau mich an. Achte mich. Lass mich in meiner Bedürftigkeit nicht allein.“ Solche Wünsche spielen bei Facebook eine große Rolle. Für Melanie Wolfers sind sie ganz nahe dem roten Faden der Bibel: „Gott wartet darauf, dass wir ihm unser Gesicht zeigen.“ „Mensch, wo bist du“, ist die Gottesfrage an den Menschen. Es ist Gott, der sich auf die Suche nach dem Gesicht jedes Menschen macht. Und er zeigt sich selbst im Gesicht des Mitmenschen.
Es braucht mehr Debatte
Kirchliche Bildung, meint Wolfers, muss schöpferisch das Maß an Jesus nehmen. „Im Gesicht Jesu leuchtet auf, wer Gott ist und sein will.“
Der kirchlichen Erwachsenenbildung traut Melanie Wolfers viel zu. Sie könnte dem Fehlen einer guten Debattenkultur in unserer Zeit etwas entgegensetzen. Es sollte viel mehr über Grundsätzliches nachgedacht werden, sagt Wolfers.
Gerade die Grundüberzeugungen dürften nicht bloß der privaten Anschauung überlassen werden, sie bedürfen der Debatte. Da können die Kirchen die Prinzipien des Evangeliums – das Gesicht Jesu – in die Gesellschaft einbringen.
Mehr Wissen über Religionen
Als besonders dringlich sieht Wolfers dabei die interreligiöse Bildung. Es brauche viel mehr Grundkenntnisse über andere Religionen, um nicht in den Straßengräben von grundsätzlicher Ablehnung und Gutgläubigkeit anderer Religionen zu landen.
www.melaniewolfers.atIm kommenden Jahr 2017 wird Sr. Melanie Wolfers in den Kirchenzeitungen Österreichs durch die Fastenzeit begleiten.