Ausgabe: 2006/11, Milosevic, Fellinger, Leitartikel, Meinung, Tod, Krieg
16.03.2006
Es geht nahe, wenn einer stirbt wie er. Hätte Slobodan Milosevic gewusst, wie einsam er eines Tages in einer Gefängniszelle enden würde – vielleicht hätte er manche Entscheidung seines Lebens anders getroffen. Er war ein Mann, der den Krieg als Mittel für seine Ziele gewählt hat. Wie weit er Verbrechen persönlich angeordnet hat, darüber steht das Urteil irdischer Richter aus. Er selber wird es gewusst haben.
Bei den Entscheidungen des Lebens das ganze Leben im Blick zu haben – dazu ruft der biblische Glaube. „Denk an deinen Schöpfer in deinen frühen Jahren …“, heißt es in einer eindringlichen Stelle im Buch Kohelet. Den Tag, „da die starken Männer sich krümmen“, in allem, was man tut, mitzudenken – dazu ruft der biblische Glaube. In den Stunden des Erfolges wird man dann nicht überheblich werden; in den Jahren der Macht wird man sich der Tatsache bewusst sein, dass man sich einmal selbst nicht mehr helfen wird können. Menschen, denen man gewohnt war, Anweisungen zu geben, wird man bitten müssen. Das gehört zum Leben. In den Jahren der Gesundheit und Kraft wird man dann so manche Entscheidung menschlicher treffen.