Es ist, als würde zum Frühlingsbeginn nicht nur die Natur erwachen, sondern auch die Sucht einen intensiven Schubs bekommen, Tage zu Tagen zu machen. Der Tag an sich ist wenig wert, denkt der Zeitgeist. Erst durch eine nähere Bestimmung, eine Beifügung im zweiten Fall, wird ein Tag geadelt und aus seinem bloßen Tagsein herausgehoben. So hat alleine der 21. März drei Tage. Er ist Internationaler Tag zur Beseitigung der Rassendiskriminierung, Welttag der Poesie und Internationaler Tag des Waldes. Dass er jener Tag ist, an dem der Frühling beginnt, wird im großen Buch der Tage von und zu verschwiegen. Am 22. März folgt der Weltwassertag; am 23. März ist Welttag der Meteorologie und am 24. März wird dem Tag die Tuberkulose beigefügt. Indem immer mehr Tage geadelt sind, wird dieser Adel Massenware und die geadelten Tage müssen sich in ihr Schicksal fügen, im grauen Alltag zu vergehen. Ungerecht ist es zudem: Was kann etwa der 26. März dafür, kein Tag, na ja – kein Tag von und zu – zu sein? Gerecht wäre es, einen Tag des Tages zu machen, der alle Tage mitmeint, die kein Tag sind. Dem Zeitgeist würde aber auch ein „Tag des bloßen Tages“ gut tun.