Christus hat selbst gelitten – und versteht daher das Leid
Leben bringt die Erfahrung von Schmerz mit sich. Doch im Leiden ist ein Mensch nicht allein. Christus leidet mit.
Leidvolle Prüfungen, Anfechtungen oder Leiden kommen in jedermanns Leben vor. Und in solchen Situationen schenkt uns Gott, weil er uns liebt, seinen Trost. Dieser Trost bedeutet nicht, dass Gott uns unmittelbar von unseren Schwierigkeiten erlöst. Das Leben wird nicht einfach wieder leicht, sondern es erhält eine andere Gestalt. Manche Anfechtungen kommen von dem, was uns und unsere Umgebung trifft: Krankheit oder Unglück, Demütigungen oder Verlassenheit, das Scheitern, schmerzlicher Verlust, das Leiden eines geliebten Menschen. Solche Dinge mögen uns mehr oder weniger stark treffen, aber sie bleiben keinem ganz erspart. Andere Anfechtungen kommen von dem, was wir selbst sind: Wir sind enttäuscht über uns selbst, wir schämen uns oder sind verstört über etwas in uns selbst. Wenn wir derart angefochten sind, kommt Gott, um uns zu trösten und unser Herz zu verklären. „Verklären“ beschreibt eine Verwandlung, wie sie Gottes Handeln bewirkt. Sie bedeutet keineswegs, dass etwas Beschädigtes entfernt und ersetzt wird. Wird etwas verklärt, bleibt es, was es ist, in einem gewissen Sinn ohne Veränderung. Und doch geht es in einem anderen Sinn um eine tiefgründige Verwandlung: Ein Farbfenster strahlt hell auf, wenn die Sonne es durchleuchtet. Gott wirft nicht weg, was beschädigt ist, er heilt und verwandelt es. Gottes Trost begegnet unseren Anfechtungen mit einer solchen Verklärung. Schmerzliche Lebensumstände ändert er nicht unbedingt. Er verwandelt auch nicht unbedingt unseren Charakter, entfernt nicht, was uns an uns selbst beunruhigt. Sondern Gott teilt unsere Last und lädt uns ein, sie ihm zu überlassen. Dann ändert sich etwas. Die Anfechtung wird nicht leichter, aber etwas Neues durchzieht sie: ein wenig Licht, Kraft und sogar Freude, klein und unscheinbar, aber in Wirklichkeit von großer Bedeutung.
Gott leidet mit
Da Christus selbst am Kreuz gelitten hat, versteht er alles. Er versteht und leidet mit allen, die leiden. Das bedeutet, dass wir im Leiden niemals ganz allein sind: Er ist auch in der tiefsten Einsamkeit bei uns. Er ist größer als unser Herz, er versteht uns und nimmt uns an, wenn wir uns über uns selbst Sorgen machen. Manchmal scheint es nur noch das Leiden zu geben und wir meinen, dass es keinen Ausweg, überhaupt keinen Weg mehr gibt. Doch das ist niemals ganz wahr. Still ist Gottes Heiliger Geist da. Er tröstet uns und gewährt uns eine Verklärung.
Frère Jean-Marc
Zur Person: Frère Jean-Marc
Frère Jean-Marc, der Autor dieses Beitrages, kommt aus England. Er lebt nun seit zehn Jahren in Taizé. Frère Jean-Marc arbeitet größtenteils für den Verlag Les Presses de Taizé, in dem zahlreiche Bücher von Frère Roger und anderen Brüdern erschienen sind.
In der nächsten Folge schreibt Frère John über den Wert des Zusammenlebens mit anderen Menschen – denn „Gottes Gnade ist bunt“.
Übung
- Denk an eine Anfechtung, die von dem kommt, was dir geschieht.
- Denk an eine Anfechtung, die von dem kommt, was du selbst bist.
- Denk an eine Anfechtung, die andere trifft.
- Vertraue die Anfechtungen, eine nach der anderen, Gott an. Suche einen Ort auf, wo du beten kannst. Verneige dich und berühre den Boden mit deiner Stirne. Oder berühre mit deiner Hand eine Ikone oder ein Kreuz. Bleibe einige Minuten da. Überlass mit dieser Geste Gott die Anfechtungen.
Bildtext: Ein Kreuz oder eine Ikone berühren - und Gott anvertrauen, was bedrückt. Foto: Sabine Leutenegger
Impuls von Frère Roger
„Gott des Trostes, du kommst durch deinen Heiligen Geist und verklärst unser Herz. Mitten in unseren Anfechtungen lässt du Gemeinschaft mit dir wachsen.“
Frère Roger war bis zu seinem Tod 2005 Prior der Mönchsgemeinschaft von Taizé.