Die letzten drei Tage im Leben von Kurt Cobain im Film
Ausgabe: 2006/13, Fluchtversuch, Film, Vorauer, Cobain, Nirvana
30.03.2006
- Kirchenzeitung der Diözese Linz, Markus Vorauer/C. o.
Die letzten drei Tage im Leben von Nirvana-Kultsänger Kurt Cobain – Gus Van Sant schuf mit dem Film „Last Days“ ein Dokument jugendlicher Verzweiflung.Markus Vorauer/C. o.
Ein Bursche mit halblangen, blonden Haaren, die ihm ins Gesicht hängen. Zerrissene Jeans, ein T-Shirt, weit über die Hose getragen, der Dresscode des „Grunge“ ist offensichtlich.
Ziellos und kontaktscheu. Wir folgen seinen ziellosen Wegen durch ein einsames Haus, wo er sich als Frau verkleidet, mit einem Gewehr auf zwei schlafende Personen zielt, sich Spaghetti kocht. Ab und zu kreuzt er die Wege von weiteren Menschen. Aber aus dem Mund von Blake (Michael Pitt), dem Protagonisten von „Last Days“, kommen nur unverständliche Laute. Er versucht jeglichen Kontakt mit anderen Menschen zu vermeiden. Auch wenn der Film eine mehr als freie Visualisierung der Ereignisse der letzten Tage von Nirvana-Bandleader Kurt Cobain ist, finden sich zahlreiche Entsprechungen zur realen Biografie: das ominöse Tagebuch, das Plastikarmband aus der Entzugsklinik, das einsame Haus und die finale Einstellung, die dem Fotogramm des toten Körpers von Cobain entspricht.
Kein Nirvana-Soundtrack. Der Film ist keine posthume Glorifizierung des Rockstars und kommt auch gänzlich ohne von der Band stammende Musikuntermalung aus. A-chronologisch erzählt – Sequenzen werden aus unterschiedlichen Perspektiven wiederholt präsentiert – wirkt der Film wie ein Dokument jugendlicher Verzweiflung. Die (nicht verwackelte!) Handkamera heftet sich an den in Zeitlupe agierenden Blake, der sich von seiner Umwelt zusehends abzuschotten versucht. Jedoch: Immer wieder dringt die Außenwelt in das erwählte Refugium ein. So läutet andauernd das Telefon und versuchen Leute mit Blake Kontakt aufzunehmen: Freunde, Manager, ein (von Gattin Courtney Love beauftragter) Privatdetektiv. Die Bandmitglieder, die sich im Haus vergnügen, erweisen sich als sex- und drogensüchtige Schmarotzer, die es nur auf das Geld von Blake abgesehen haben.
Bis zum Verstummen. „Last Days“ ist kein leicht konsumierbarer Film, weil er sich formal gegen eine alles vereinheitlichende Konsumwelt stellt. Er ist auch kein Film über Rock-Musik. Vielmehr handelt er von deren In-strumentalisierung im Kommerzregime. Und doch dringt in der vielleicht schönsten Sequenz des Films all die Sprengkraft des Indie-Rock durch, wenn Blake den Instrumenten in seinem Studio die letztmöglichen Töne bis zum Verstummen abringt.