Beim Aufgang der Sonne. Morgenstimmung in Taizé. Foto: Sabine Leutenegger
Unsere Lieben sind ewig. Das sagt der Glaube an die Auferstehung.
FRÈRE EMILE
Den Christen ist ein Geheimnis der Hoffnung anvertraut, zu dem untrennbar das Versprechen eines Sinnes gehört. Die Welt hat einen Sinn, unser Leben hat einen Sinn, Lieben hat einen Sinn.Lieben wir christusgemäß, lieben wir mit Hoffnung. Das heißt, unsere Liebe kann keine traurige Liebe sein. Ihre Quelle ist nicht die stoische Ruhe, sondern der Glaube an die Auferstehung, das heißt der Sieg der Liebe. Der Glaube entsteht oft aus einem aufblitzenden Sinn, der sich zur Hoffnung entfaltet. Ohne Christen zu heißen, lieben andere Menschen manchmal mit einer ungesagten, anscheinend weder benannten noch begründeten Hoffnung. Wir wissen, dass etwas vom Geheimnis des Glaubens über die Kirche hinausgeht und teilweise die Welt bewohnt. Olivier Clément schreibt, dass die Welt etwas vom Sinn der Person bewahrt, den Sinn der Auferstehung aber verloren hat. Mir scheint, dass diese Bemerkung einen Teil des heutigen Unbehagens erklärt. Den Sinn der Person (der vom christlichen Glauben kommt) bewahrt zu haben, heißt wissen, dass jeder Mensch einzigartig und unwiederholbar ist. Aber den Sinn der Auferstehung zu verlieren, heißt noch mehr daran zu leiden, dass jeder Mensch unersetzlich ist.
Auferstehung
Dostojewski sieht im Christen der Zukunft vor allem jemand, der in der Welt den Sinn der Auferstehung bewahrt. Er spielt nicht das Sichtbare gegen das Unsichtbare aus. Er ist das Salz der Erde. Er weiß, dass das Salz die Speise nicht ersetzt, sondern ihren Geschmack hervorhebt. Ebenso setzt ein Christ die gegenwärtige Welt nicht der kommenden entgegen. Am Ende seines großen Romans „Die Brüder Karamasow“ schildert Dostojewski ein Gespräch eines der Brüder Karamasow, des Zeugen der Auferstehung, mit Kindern, die vor dem Grab eines andern Kindes stehen: „Karamasow!“, rief plötzlich Kolja. „Ist es wahr, was die Religion sagt, dass wir von den Toten auferstehen und uns alle wiedersehen werden, alle, auch Iljuschetschka (das begrabene Kind)?“ „Bestimmt werden wir auferstehen, bestimmt werden wir uns wiedersehen, und freudig werden wir uns gegenseitig alles erzählen, was wir erlebt haben“, antwortete halb lachend, halb begeistert Aljoscha. „Ach, wie wird das schön sein!“, entfuhr es Kolja ganz unwillkürlich.
Der Sinn der Auferstehung ist die Einsicht, dass durch Gottes Geschenk in Jesus Christus unsere Lieben ewig sind. Wir sind dazu berufen, dies ahnen zu lassen, damit alle Menschen wie Kolja ausrufen können: „Ach, wie wird das schön sein!“
Zur Person: Frère Emile
„Als Jugendlicher in einer ziemlich abgelegenen Gegend im Norden Kanadas fragte ich mich, ob es eine echte Grundlage für die Freude gibt, oder ob die Christen einfach Optimisten seien, die ein wenig übertreiben? In der Neuentdeckung des Glaubens habe ich begriffen, welcher Raum an Freiheit und Freude sich mit der Auferstehung Christi auftut. Er ist von den Toten auferstanden. Der Tod ist besiegt. Ich habe verstanden, dass Freude und Gemeinschaft möglich sind. Ich glaube, dass es diese Entdeckung war, die mich auf den Weg und schliesslich nach Taizé gebracht hat. „Hier atmet man einen Hauch von Auferstehung“ hat uns eines Tages ein rumänischer Priester gesagt, der mehrere Jahre unter dem totalitären Regime im Gefängnis war. Einen Hauch von Auferstehung atmen, um zu erfahren, dass die Freude das letzte Wort haben wird.“
Übung
Schau auf alles Schöne, auf alles, was mit der Liebe vereinbar ist, und meditiere den Satz von Paul Claudel: „Die Welt ist nicht Trugbild, sondern Sinnbild.“
Denke darüber nach, wie du dich zum Tagesgeschehen informierst. Hörst oder schaust du die Nachrichten, um dich zu informieren und als verantwortlicher Bürger zu handeln, oder als Nebengeräusch im Hintergrund?
Lass dich nicht vom Bösen faszinieren. Übe dich darin, im Gebet das Böse zwar nicht zu vergessen, aber es immer Gott anzuvertrauen.
Impuls von Frère Roger:
„Heiliger Geist, Tröster, uns schlichten Menschen des Evangeliums hast du ein Geheimnis der Hoffnung anvertraut. Auch wenn wir es nicht beachten, ist es da und trägt unsere Hoffnung.“
Zu Gast: Mag. Susanne Gross
Vertrauen ist das Geheimnis
Im Sommer werden es 30 Jahre, seit ich zum 1. Mal mit einer Jugendgruppe nach Taizé gekommen bin. Mich beeindruckte die Internationalität dieses kleinen Ortes – endlich Sprachen ausprobieren. Es war nur die halbe Welt damals – viele Jugendliche konnten auf Grund der politischen Situation ihres Landes nicht ausreisen. Die Brüder hielten von Taizé aus Kontakt, indem sie Jugendliche in diese Länder schickten, um durch Besuche zu zeigen, dass die jungen Christen dort nicht vergessen wären. So machte ich eine Fußwallfahrt in der ehemaligen DDR. Meine Freundin besuchte christliche Jugendliche in der Tschechoslowakei – getarnt als Schiwoche. Tief erschüttert von der Kraft und dem Mut so junger Menschen für ihre Glaubensüberzeugungen, versuchten wir daheim aus einem ähnlichen Geist zu leben. Wir durften nicht über diese Reisen sprechen, weil es zu gefährlich gewesen wäre für unsere Freunde. So erlebte ich eines der „Geheimnisse“ von Taizé: das Vertrauen der Brüder in Jugendliche. Es ist enorm. Das spornt an, mehr Verantwortung für die Anliegen der Welt zu übernehmen – wo man lebt und mit den je eigenen Möglichkeiten. Diese Reisen haben Auswirkungen bis heute.
Vor dem Kreuz
Bei meiner Exerzitienarbeit und in der Geistlichen Begleitung fließen oft Schriftauslegungen, wie ich sie in Taizé höre, ein. Wie selbstverständlich war es auch, dass ich das Taizé-Kreuz in meinem Meditationsraum aufgehängt habe. In der Fastenzeit und im Advent liegt es am Boden (so wie an Freitagen in Taizé), damit Menschen symbolisch ihre Lasten Christus anvertrauen können, indem sie mit der Stirn das Kreuz berühren oder sich davor verneigen. Immer wieder zünde ich mit Personen, die etwas Schweres zu tragen haben, nach einem Gespräch eine Kerze vor dem Kreuz an in dem Vertrauen und der Hoffnung, dass tiefe Heilung und Trost vom Gekreuzigten geschenkt werden.In meinem Terminkalender befindet sich ein Satz von Frère Roger: „Wir ahnen, dass unsere Antwort auf die Liebe Christi nicht flüchtig sein kann, nicht nur für eine gewisse Zeit, bevor wir es uns wieder anders überlegen Unsere Antwort kann auch keine Willensanstrengung sein, an der manche zerbrechen würden. Sie liegt vielmehr darin, dass wir uns ganz hingeben.“
Jeden Montag um 19.30 Uhr gibt es bei mir im Kleinen Haus einen Meditationsabend, der mit Liedern und Gebeten aus Taizé beginnt und endet.
Mag. Susanne Gross ist für Spiritualität,Besinnung und Geistliche Begleitung im Pastoralamt der Diözese Linz zuständig. Sie lebt in Attnang-Puchheim.