Die Kirche hat in der Lebensgeschichte junger Menschen oft keinen Platz mehr. Sie erfahren kirchlich gelebte Religion immer seltener. Die Welt der Kirche ist ihnen fremd.
P. GERT SMETANIG SDB
Zu Beginn eine Anekdote. Ein Religionslehrer berichtet folgende Szene: Er hat sich überlegt, seine Vorführstunde für angehende Lehrer zum Thema „Kirche“ mit einer Stillarbeit zu beginnen. Die Schülerinnen und Schüler sollen für sich aufschreiben, was ihnen zum Thema Kirche einfällt. Nach kurzem Gemurmel und Gekicher wird es tatsächlich leiser. Alle schreiben mehr oder weniger engagiert Einfälle und Gedanken zum vorgegebenen Thema auf. Die Praktikanten, die den Unterricht beobachten, notieren: „engagierte Einzelarbeit“. Nach einigen Augenblicken fragt ein Schüler in die Stille hinein: Herr Meier, wie schreibt man eigentlich „ätzend“?
Keinen Bock auf Religion? Bestätigt die kleine Begebenheit also wieder den in kirchlichen Kreisen weit verbreiteten Eindruck, dass Jugendliche spätestens ab dem Beginn der Pubertät keinen Bock auf Religion haben, Pfarrer oder Firmhelfer/-in die Firmstunden zur Hölle machen und in der kirchlichen Jugendarbeit entweder erst gar nicht auftauchen oder aber nur an Veranstaltungen teilnehmen, die Event-Charakter haben, und der Gottesdienst für sie eine fremde Welt bleibt. Oder verbirgt sich hinter dem Wort „ätzend“ in Verbindung mit Kirche zwar die Abwehr gegenüber einer mehr oder weniger vertrauten Institution, was nicht unbedingt mit der Ablehnung von Religion gleichzusetzen wäre.
Aus dem Blick. Kirche ist im Alltag nicht mehr präsent – im Arbeitsleben, in der Schule, auch in der Familie immer weniger. Wo sollen eigentlich heute Jugendliche mit Kirche in Berührung kommen? Meine Generation konnte das noch größtenteils durch die Familie erleben, auch durch das soziale Umfeld, in dem die Feier des Kirchenjahres etc. noch Fixpunkte waren. Dieses religiöse Fundament in der Lebensbiografie haben heute nur noch sehr wenige Jugendliche. Unsere moderne Welt ist in viele verschiedene Inselwelten aufgesplittet: Hier ist die Wirtschaft mit ihren Gesetzen, da ist die Politik, da der Straßenverkehr, da die Massenmedien – und die Kirche ist dabei im Grunde kein Thema mehr, ist ausgeklammert. Kirche ist zwar in einzelnen Situationen da, wird punktuell erlebt zum Beispiel im Religionsunterricht, zu Weihnachten und Ostern oder auch bei Trauerfällen und Katastrophen. Aber Kirche hat oft nicht mehr einen durchgehenden Platz in den Lebensgeschichten der jungen Menschen. Die religiösen Zeichen und Werte der Kirche werden aus der Sicht der Jugendlichen nicht mehr mit ihrer Wirklichkeit und Lebenserfahrung verknüpft. Sie erleben eher, dass ihre Zeichen und die kirchlichen Symbole sowie ihre Wirklichkeit und die Werte und Wirklichkeiten der Kirche verschiedene Welten sind. Man lebt aneinander vorbei.
Was nun? Es geht nicht darum, die Kirche gleichsam im Sinne einer Werbekampagne „attraktiv“ für Jugend zu machen, sondern zu überlegen, welche Verantwortung Kirche der Jugend gegenüber hat und welchen unverzichtbaren Platz Jugend im Leben einer Pfarre haben muss, damit dort der Auftrag Jesu erfüllt werden kann, der im Sendungsauftrag meiner Ordensgemeinschaft, der Salesianer Don Boscos, so formuliert ist: Beitragen, damit das Leben junger Menschen gelingt! Mein Wunsch für die Zukunft. Dass gerade – aber nicht nur – junge Menschen als eine erneuernde Kraft auf eine nach außen oft schon alt aussehende Kirche wirken. Auf der Salzburger Delegiertentagung zum Dialog für Österreich wurde im Jahr 1998 formuliert: „Nur eine Kirche, die die Jugend versteht, versteht die Zeichen der Zeit!“
P. Mag. Gert Smetanig(35) ist Salesianer Don Boscos. Er ist als Religionslehrer und Referent in der Jugendbildung tätig; er ist auch ein gefragter „Zauberer“.
Stichwort
In vielen Pfarren bereiten sich in diesen Wochen Jugendliche auf die Firmung vor. Mitunter ist das für die Firmlinge selber wie für ihre Begleiter ein schwieriger Weg. Wir baten daher den Jugendseelsorger P. Gert Smetanig, von seinen Erfahrungen mit Glaubens- und Lebensfragen Jugendlicher zu berichten. Nach einem Einleitungsbeitrag wird er in den kommenden Wochen auf konkrete Fragen bzw. Erfahrungen junger Menschen eingehen, einen Blick auf die „Hitparade“ beliebter Themen werfen und Hilfestellungen geben, wie „wir mit Jugendlichen über Gott sprechen können“.