„Haftung“ hat das Zeug, das Wort unserer Zeit zu werden. Wo immer etwas nicht so läuft, wie man es sich vorstellt, wird Haftung verlangt, also die Auslagerung der Zuständigkeit. Jüngstes Beispiel: Ein OGH-Urteil anerkennt die von den Eltern eines Kindes begehrte Haftung des Frauenarztes, nachdem das Kind mit schweren Behinderungen zur Welt kam. Der Arzt habe die werdende Mutter nicht eindringlich auf mögliche „schädliche Folgen“ aufmerksam gemacht. Dass hier die Rede vom „Schadensfall“ eine demaskierende Sprache der Gesellschaft ist, die Menschen mit Behinderungen diskriminiert, ist eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist der Ruf nach Haftung. Dieser Ruf kommt aus der Vorstellung, alles sei machbar oder verhinderbar und erschallt täglich tausende Male. Andererseits: Läuft alles nach Wunsch, genießt der Mensch gerne sein Glück und kommt selten auf die Idee, andere dafür haftbar zu machen, also zu danken. Der Dankruf ist rar. Die Haftungs-Gesinnung wird vom Wunsch großgezogen, sich möglichst schadlos halten zu können. Es ist eine Gesinnung, die sich dem Du und Wir nicht ausliefern kann. Das Risiko vom Strich durch die Rechnung wäre zu groß. Aber auch die Chance wird vertan, Ungeahntes zu ermöglichen und daran selber zu wachsen.