Vor 75 Jahren starb Pater Maximilian Kolbe im Hungerbunker des Konzentrationslagers Auschwitz. Er hatte sich im Austausch für einen Familienvater geopfert. Doch trotz dieser Heldentat ist der polnische Franziskaner-Minorit kein einfacher Heiliger.
Zelle 18 ist dunkel und überraschend klein. Die Besucher der Gedenkstätte können durch die Tür einen Blick hineinwerfen. Am Boden in der Mitte stehen Kerzen. In diesem Kellerraum im Arrestblock des Stammlagers von Auschwitz starb am 14. August 1941 der Priester und Ordensmann Maximilian Kolbe als einer der letzten Häftlinge, die am 29. Juli aufgrund der Flucht eines anderen zum Hungertod verdammt worden waren. Weil die Lager-SS die Zelle brauchte, wurde den Überlebenden des Hungermartyriums eine Chemikalie gespritzt, die sie tötete. Maximilian Kolbe hätte nicht dort sterben müssen. Als nach der Flucht eines Häftlings der SS-Mann Karl Fritzsch die Auswahl jener Männer getroffen hatte, die verhungern sollten, hatte es ihn nicht getroffen. Er trat aber vor und bot an, im Austausch für Franciszek Gajowniczek zu sterben, der seine Frau und seine Kinder beklagte. Fritzsch akzeptierte und Kolbe schloss sich dem Zug in Richtung Todesblock an – ein Leben für ein anderes, Gajowniczek überlebte Auschwitz.
Der Lebensweg des Rajmund Kolbe
Maximilian Kolbes Opfer wurde spätestens durch die Selig- (1971) und Heiligsprechung (1982) weltweit bekannt. Die Person des als Rajmund Kolbe geborenen Priesters selbst steht aber noch heute etwas im Hintergrund. 1894 in eine gläubige Familie hineingeboren, war er schon als Kind mit einer strengen Erziehung konfrontiert. Früh entschied er sich für den Ordenseintritt, erhielt den Namen Maximilian und konnte während des Ersten Weltkriegs in Rom studieren. Dort wuchs seine ausgeprägte Marienverehrung: Kolbe gründete die Vereinigung „Militia Immaculatae“. Dazu kam das Verlangen, Nichtkatholiken zu bekehren.
Medien für die Glaubensvermittlung gegründet
Zurück in Polen entstand daher die Zeitschrift „Ritter der Unbefleckten“, die zu einer Klostergründung nahe Warschau führte. Zeitschrift und Kloster wuchsen rasch, später kamen eine Tageszeitung und ein Radiosender dazu. Alle Gründungen von Kolbe wandten sich an ein „einfaches“ Publikum, an die breite Masse der Menschen. Zwischen 1930 und 1936 wirkte Kolbe in Japan, bevor er wieder seinen Platz in Polen einnahm. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geriet er wie viele polnische Kleriker und Eliten ins Fadenkreuz der deutschen Besatzer. 1939 verbrachte Kolbe mit Mitbrüdern einige Monate in einem Arbeitslager. Dann wurde sein Kloster Zuflucht für Verfolgte. Im Februar 1941 wurde er erneut verhaftet und schließlich im Mai nach Auschwitz überstellt, wo er die Gefangenennummer 16.670 erhielt. Weder sich noch seiner Umgebung hat es Pater Kolbe leicht gemacht. Seine exzessive Marienverehrung wurde auch von Ordensbrüdern kritisiert: Selbst der leibliche Bruder, P. Alfons Kolbe, klagte darüber, dass Christus dabei in den Hintergrund zu rücken schien. Im Dienst seiner publizistischen Aufgabe hat er sich und andere geschunden. Gleichzeitig trat er in seinem Kloster vehement für die Gleichberechtigung der Laienbrüder mit den Ordenspriestern ein. Maximilian Kolbe war ein Kind seiner Zeit: Dialog mit Nicht-Katholiken, den er aktiv suchte, hatte vor allem den Zweck der Bekehrung. Insbesondere rund um die Heiligsprechung kam es zu einer Debatte, inwieweit Kolbe für antisemitische Äußerungen in den von seinem Verlag herausgegebenen Zeitschriften verantwortlich sei. Gleichzeitig wurde darauf verwiesen, dass nach Kriegsbeginn auch Juden am Klostergelände untergebracht waren und Maximilian von Japan aus gefordert hatte, Antisemitismus nicht zu schüren. Kolbes Bereitschaft zum Ertragen von Krankheit, Schmähung und Gewalt stechen als Wesenszüge hervor: Zeugen berichteten, dass er im KZ unter Hintanstellung seiner selbst anderen half – bis dahin, dass er im Hungerbunker für einen anderen in den Todesblock ging.
Unfassbare Opferzahlen
Tritt man aus dem Todesblock in der heutigen Gedenkstätte Auschwitz, steht man je nach Wetter vielleicht in der Sonne. Die Beklemmung aber bleibt: Im KZ-Komplex Auschwitz wurde bei jedem Wetter gemordet, überall und auf unterschiedliche Weise. Nimmt man zum Stammlager das nahegelegene Birkenau und Monowitz dazu, so kommt man auf Opferzahlen zwischen 1,1 und 1,5 Millionen Menschen, die allermeisten waren Jüdinnen und Juden, aber auch Angehörige von Minderheiten wie Roma und Sinti, politische Gefangene oder Kriegsgefangene.