In seinem nachdenklichen, bewegenden, Mut machenden neuen Buch über das Älterwerden schreibt Weihbischof Helmut Krätzl auch über die „Heimat im Himmel“.
Ich denke oft darüber nach, wie ich Gott begegnen werde. Letztlich aber kann ich es mir nicht vorstellen. Das mag auch der Grund sein, warum selbst gläubige Menschen auf die Frage „Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?“ mit Nein antworten. Weil sie sich diese Daseinsweise eben nicht vorstellen können.
In Bildern. Von Gott reden wir immer nur in Bildern, in Vergleichen. Und die stammen natürlich aus unserer Vorstellungswelt. Jesus selbst lehrt uns, zu Gott „Vater“ zu sagen. Aber Gott ist weder Mann noch Frau, aber wie ein wunderbarer Vater und wie eine ganz liebevolle Mutter. In der Bibel ist sehr oft von der Hand Gottes die Rede, auch von seinem starken, befreienden Arm. „Deine Hände haben mich gemacht und geformt“, beten wir. Und die „Hand des Herrn ist nicht zu kurz, um zu helfen“. In seine Hand bin ich geschrieben, in ihr ruht mein Schicksal. Und Gottes Herz, das für die Menschen schlägt. Hosea lässt Gott sagen: „Mein Herz wendet sich gegen mich, mein Mitleid lodert auf.“ Lauter menschliche Bilder. Johannes, der Seher von Patmos, sieht im Himmel Gott auf einem Thron sitzen, umgeben von 24 Ältesten und einer großen Schar von Engeln. Das ewige Leben wird in der Bibel auch mit einer Stadt verglichen. Es wird dort keine Nacht mehr geben, und man braucht auch nicht mehr das Licht der Sonne. Denn Gott selbst wird allen leuchten. Jesus selbst beschreibt das andere Leben mit einem Mahl (Mt 26, 29).
Du umfängst mich. „Das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1 Kor 2, 9), kann ich mir in meinem menschlichen Verstand nicht vorstellen. Sicher aber weiß ich: Ich falle in kein Nichts, sondern begegne einem Du, das mich ganz umfängt. Einer Liebe, die alle menschliche Liebeskraft übersteigt. Ich erhoffe mir eine Seligkeit, die mich völlig erfüllt und verwandelt, die nichts vom Schönen, das ich in der Welt erlebt habe, vergessen lässt, sondern es vervollkommnet. Und doch, was immer sich menschliche Sehnsucht auszudenken vermag, ist zu wenig, ist wieder nur ein Bild. Jesus lehrt uns, zu Gott Vater zu sagen. Das verstehe ich jetzt, denn Gott hat uns durch Jesus zu seinen Söhnen und Töchtern werden lassen. Jetzt sind wir also schon Gottes Kinder. Im 1. Johannesbrief wird darauf Bezug genommen und uns eine Vorahnung gegeben. „Was wir sein werden, ist noch nicht offenbar geworden. Wir wissen, dass wir ihm ähnlich sein werden. Denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“ Ihn einmal sehen, wie er ist! Die Sehnsucht danach hat viele Menschen im Angesicht des Todes gestärkt. Bei Gott ist Leben und nicht Tod. Bei ihm beginnt eine neue Schöpfung. Auch ich werde ihn einmal sehen, wie er ist. Davon kann ich mir noch kein Bild machen. Aber ich erwarte es im Vertrauen auf ihn, und es wird wunderbar sein.
Am 23. Oktober feierte Weihbischof Helmut Krätzl seinen 75. Geburtstag. Das Erreichen des „kirchlichen Pensionsalters“ habe ihn, so erzählt er, inspiriert, ein Buch über die Chancen und Lasten des Älterwerdens zu schreiben. Sehr persönlich schöpft er darin aus seinem Leben, aus seinen Begegnungen mit Menschen und seinen eigenen Erfahrungen. Es ist kein schönfärberisches Buch, aber es ist ein Buch, das in seinen 48 kurzen Abschnitten dazu einlädt, die Zeit der Ernte anzunehmen. Aus dem Buch spricht viel Mitmenschlichkeit, Hoffnung, Glaube und Zuversicht.
- Helmut Krätzl, Geschenkte Zeit. Von der Kunst älter zu werden. Tyrolia, 14,90 Euro
Zur Sache
Fürsprecher im Himmel
Vor einigen Jahren wurde ich von hoher kirchlicher Stelle zu einem sehr wichtigen Gespräch eingeladen – es war schon eher eine Vorladung –, bei dem über mein Wirken geurteilt werden sollte. Ich fühlte mich ungerecht behandelt, war gekränkt und hatte Angst. In den Tagen vor dem Gespräch habe ich mehr als sonst an die vielen gedacht, die mir vorausgegangen waren, die mich gut kannten, die mich liebten, mein Tun wohlwollend begleitet oder durch ihre Kritik mich vor Fehlern bewahrt hatten. Ich hoffte und war fest überzeugt, sie würden mir durch ihre Fürsprache bei Gott helfen. Das gefürchtete Gespräch nahm dann einen völlig anderen Verlauf, als zu erwarten war. Es kam mir wie ein Wunder vor. Vielleicht war es wirklich eines, das erbetet worden war.
Ich schätze das Fürbittgebet der großen Heiligen nicht gering. Wenn die Allerheiligenlitanei feierlich gesungen wird, klammere ich mich oft bei manchen Namen besonders innig an. Aber ich bin überzeugt, dass mir nicht nur ihre Fürbitte hilft, sondern auch das der vielen, die mich liebten und so gut zu mir im Leben waren. Sie – Vater und Mutter, Freunde und Wegbegleiter – haben mich sicher auch im Himmel nicht vergessen. Ich hoffe darauf, dass sie mir ihre Zuneigung und Anteilnahme auch jetzt in einer ganz neuen, noch wirkungsvolleren Weise schenken.
Helmut Krätzl in „Geschenkte Zeit. Von der Kunst älter zu werden.“ Tyrolia-Verlag.