Ausgabe: 2006/50, Wort, Aufenthaltsgenehmigung, Sprache
13.12.2006
- Ernst Gansinger
Die Sprache kommt und geht mit der Zeit. Manche Worte sind kaum geboren, schon machen sie sich auf leisen Sprachsohlen wieder davon. Andere wieder sind da, werden gesprochen, geschrieben und sind dennoch nicht da. Denn ein Wort ist erst dann da, wenn es einen Meldezettel hat. Eine Geburtsurkunde wird nicht verlangt, aber ein Meldezettel. Darum gehe jedes Wort hin zum Duden, zur zentralen Sprach-Registrierung, und lasse sich in Listen aufschreiben!So sind sie also alle hingegangen. Das Bruttoinlandsprodukt hat sich aufschreiben lassen, das Frettchen, der Größenwahn, die Schilddrüse, das Syndikat, die Unerbittlichkeit, das Zeugs und der Zorn sowie tausende, abertausende andere noch. Alleine die Geschwisterlichkeit hat sich nicht aufschreiben lassen. Sie fehlt im Register, hat keinen Meldezettel, keine Aufenthalts-, geschweige denn eine Arbeitsgenehmigung. Manche sagen, die Einwanderungsbehörde hätte ihr den Sichtvermerk verweigert. Die Sprache, die Vereinigung aller Worte, ruft zur Solidarität auf. Brüderlichkeit, Mütterlichkeit und Väterlichkeit unterstützen das Anliegen. Die Schwesterlichkeit hat leider kein Einreisevisum ins Worteland bekommen.