Drei Tipps hat Franz Kogler parat. Sie gelten für Bibel-Einsteiger genauso wie für jene, deren tägliches Brot die Bibel ist. „Lesen, lesen, lesen“, betont der Leiter des Linzer Bibelwerks.
KirchenZeitung: Der Slogan von der „Rückkehr der Religion“ ist allgegenwärtig. Zeigt sich das konkret in einem Bibel-Boom? Kogler: Bibel-Boom wäre wohl übertrieben, aber im Schatten von Großereignissen wie dem Jahr der Bibel 2003 oder im Rahmen unserer Bibelausstellungen entsteht verstärkt eine Nachfrage.
Wer sind die Leute, die sich interessieren? Es sind einmal suchende Menschen, die nach Orientierung in ihrem Leben Ausschau halten. Sie sind sehr offen für die Botschaft der Bibel, doch es zeigt sich oft: Sie greifen begeistert zur Bibel, stoßen aber rasch an Grenzen, wenn sie mit dem Buch allein bleiben, und legen die Bibel bald wieder aus der Hand.Großes Interesse an der Bibel haben auch Christen, die sich in der Kirche – oder von der Kirche – an den Rand gestellt fühlen. Sie beeindruckt die Kraft der Botschaft Jesu und der kritische Umgang der biblischen Texte mit den Traditionen. Das gibt ihnen Mut, in der Kirche zu bleiben. Und die dritte Gruppe bilden die pfarrlich Engagierten, sie sind für die spirituelle Vertiefung dankbar, die sie im Zusammenhang mit der Bibel finden.
Um die Bibel zu verstehen, muss man Experte sein: Das ist eine weit verbreitete Einstellung, die viele abhält, zur Bibel zu greifen ... Dieses Missverständnis haben leider wir Theologen lange Zeit genährt, indem wir zu sehr die Ergebnisse der Bibelwissenschaft in den Vordergrund gestellt haben. Das ist heute anders. Zum Bibellesen braucht man kein Studium, aber unsere Erfahrung zeigt: Man braucht eine Gemeinschaft. Was man in der Bibelrunde bei einem ehrlichen Austausch erfährt – glauben Sie mir – das liest man in keinem Kommentar. Denn es geht ja nicht um irgendwelches Wissen, sondern um das Leben: Was bedeutet der Bibeltext für mein Leben, wo hilft er mir zum Leben? Das sind die Fragen, die die Leute interessieren, und nicht, wie viele tausend Menschen Jesus wirklich gespeist hat.
Führte die historisch-kritische Exegese in eine Sackgasse? Nein, sie war und ist kein Flop. Die heutigen Zugänge zur Bibel sind nur auf der Basis der Bibelwissenschaft möglich, aber sie darf nicht Selbstzweck sein. Es genügt, wenn man weiß und beim Bibellesen ernst nimmt, dass es unterschiedliche Sprachformen gibt: dass ein Liebesgedicht etwas anderes ist als ein Sachbuch.
Was macht das Bibelwerk, damit Leute auf die Bibel neugierig werden? Ein Schwerpunkt zum Beispiel der Bibelausstellungen besteht in der Einladung an die Besucher/innen, etwas anzugreifen, zu riechen, zu schmecken, zu tasten, selbst zu tun. Das öffnet vielen Menschen einen Zugang zur Bibel: Was ich angreifen kann, ist mir nahe. Neugierig machen auch die Medien, die wir produzieren. Wobei wir eher zufällig auf die Erstellung von CD-ROMs gestoßen sind, die sich zu einem Renner entwickelt haben. Insgesamt haben wir 50.000 CD-ROMs unter die Leute gebracht. Das war aber nur mit Unterstützung der Diözese möglich und durch die Zusammenarbeit mit den Religionslehrkräften.
Zum Jahr der Bibel 2003 haben Sie angeregt, dass bei jeder Sitzung im kirchlichen Bereich zumindest eine Bibel auf dem Tisch liegen soll. Wenn man schon nicht mit einem Psalmengebet oder Bibelgespräch beginnt, soll zumindest die Sichtbarkeit der Bibel daran erinnern, dass man nicht in einer x-beliebigen Vereinssitzung ist. Was ist daraus geworden? Da bin ich sehr ernüchtert. In der pfarrlichen Praxis begegne ich Terminkalendern häufiger als Bibeln. Dabei geht es nicht darum, Sitzungen ein frommes Mäntelchen umzuhängen. Die Heilige Schrift hat eine enorme gemeinschaftsstiftende Kraft – und es ist schade, dass man sie zu wenig nützt.
Welchen Stellenwert nimmt die Bibel in der lehramtlichen Verkündigung der Kirche ein? Dass die Bischofssynode im kommenden Jahr das Wort Gottes zum Thema hat, ist ein kräftiger lehramtlicher Impuls, der mich sehr freut. Anderseits tut es weh, wenn ein Theologe wie Jon Sobrino in die Nähe der Verurteilung gerückt wird, dessen Theologie ganz aus der Heiligen Schrift kommt.
Am Karfreitag wurde im ORF Mel Gibsons Film „Die Passion Christi“ gezeigt. Sie stehen dem Film kritisch gegenüber ... Weil er den Zugang zur Bibel verstellt und nicht eröffnet. Die Heilige Schrift ist ein Glaubenszeugnis und kein Drehbuch. Diese Perspektive kommt bei Mel Gibson überhaupt nicht zum Ausdruck. Die Auferstehung ist im Film eine Randerscheinung und nicht Ausgangspunkt der Deutung des Lebens und Sterbens Jesu. Außerdem strotzt der ganze Film vor groben Verfälschungen von historischen Tatsachen.
Können Sie einen einfachen Tipp zum Bibellesen geben? Drei Worte sind mir wichtig: lesen, lesen, lesen.
Zur Sache
100-mal „Linzer Bibelsaat“
Was 1990 als eine einfache A4-Seite begonnen hat, ist zu einer ansprechenden Zeitschrift gewachsen. Die „Bibelsaat“ ist das Flaggschiff des Bibelwerks der Diözese Linz. Die Zeitschrift geht viermal jährlich an 7.500 Bezieher/innen – mit stets steigender Auflage, wie Bibelwerk-Leiter Franz Kogler betont: „Und kostenlos ist sie noch dazu.“ Das Geheimnis des Erfolgs liegt in der Verzahnung von Bibelwissenschaft und Praxis, erläutert Kogler: „Praxis – das ist das Markenzeichen von Linz, seit Erzbischof Alois Wagner, damals noch Professor für Pastoraltheologie, die Fernkurse und das Referat für Bibelarbeit in der Diözese eingerichtet hat.“ So finden sich in den rund 40 Seiten starken Heften Anregungen für Bibelabende und Hintergrundinformationen zu aktuellen Themen wie „Die Bibel in gerechter Sprache“. Neben Veranstaltungshinweisen nimmt auch die Vorstellung von neuer Literatur viel Platz ein. Liest man die häufig sehr persönlich gehaltenen Zuschriften an die Redaktion, verstärkt sich der Eindruck, den man beim Lesen der gesamten „Bibelsaat“ gewinnt: Die Begeisterung für die Heilige Schrift eint Autor/innen und Bezieher/innen und macht aus ihnen eine biblische Familie.