Das II. Vatikanische Konzil wollte die aktive, tätige Teilnahme des gesamten Gottesvolkes an der Liturgie. Das hatte, wie schon im letzten Beitrag angesprochen, weitreichende Veränderungen zur Folge.
Die „fruchtbare oder bewusste und tätige Teilnahme“ der Gläubigen an der Liturgie war das leitende Prinzip der vom II. Vatikanum angeordneten Liturgiereform. Die Gläubigen sollen bewusst – also mit Verständnis der liturgischen Handlung und der liturgischen Texte – an der Messe selbst aktiv teilnehmen, nicht nur der vom Klerus vollzogenen Liturgie beiwohnen. Durch die Teilnahme mit allen Sinnen, also durch Sprechen, Singen, Sich-im-Raum-Bewegen, soll das in der Liturgie gefeierte Geheimnis von Tod und Auferstehung die Existenz der Mitfeiernden prägen.
Muttersprache. Zunächst einmal erforderte die „verständige Mitfeier“ eine Gottesdienstsprache, welche die Menschen verstehen. Die volkssprachige Liturgie, heute nicht mehr wegzudenken, hat sich mit einer Schnelligkeit eingebürgert, mit der die eher vorsichtigen Konzilsväter selbst nicht gerechnet haben.
Mehr Bibel. Auch der „Tisch des Wortes“ sollte nach dem Willen des Konzils reicher gedeckt werden. Das hat jedenfalls zu einer Vermehrung der Schriftlesungen und zu einer ausgewogeneren Auswahl, vor allem auch aus dem Alten Testament, geführt. Inwieweit die gottesdienstliche Schriftlesung tatsächlich die Existenz der Gläubigen prägt, ist natürlich eine andere Frage. Das Angebot ist jedenfalls da, die Ausführung ist teilweise wohl noch mangelhaft. Lesungen werden zu oft schlecht und ohne genügende innere Vorbereitung gelesen, die Predigten sind nicht immer eine Hinführung zum verkündeten Wort.
Singende Gemeinde. Zu den wichtigsten Maßnahmen der Reform gehört die Einsetzung der Gemeinde in ihr musikalisches Amt. Dass der Glaube auch gemeinsam gesungen wird, gehört zum Kern der Liturgie. Eine Gemeinde, die ihn nicht singt, gibt kein Zeugnis.
Neue Rolle des Priesters. Der Priester ist nicht mehr, wie einst, derjenige, der allein – im Zusammenspiel mit den Ministranten – die Liturgie ausführt, sondern er hat eine zwar unverzichtbare, aber eben nicht exklusive Rolle in dem „heiligen Spiel“. Er ist der Leiter und Vorsteher, der amtliche Verkündiger und der Vorbeter der Gemeinde. Aber er steht mit der Gemeinde, die als Ganze die Trägerin des Gottesdienstes ist, gemeinsam vor Gott. Er ist Hörer des Wortes wie alle anderen; das wird etwa ganz deutlich, wenn Schriftlesungen eben nicht vom Priester gelesen werden.
Besondere Verantwortung. Diese neue Rolle des Priesters ist freilich mit gesteigerter Verantwortung verbunden. Ob man das will oder nicht, die Ästhetik des Gottesdienstes hängt zwar nicht mehr ausschließlich, aber doch sehr wesentlich von der Feierkompetenz des Priesters ab: Wie er das Evangelium verliest, wie er die Gebete im Namen der Gemeinde spricht, wie er die reiche Symbolsprache der Liturgie zum Klingen bringt (Wo erleben wir, dass Eucharistie im Kern gemeinsames Essen und Trinken ist?) und was er als Prediger wie zur Sprache bringt – das alles ist für die geistliche Erfahrung, für die frucht-bare Teilnahme der Gläubigen von großer Bedeutung. Die beliebte Ausflucht, es komme nicht auf das Wie, sondern nur auf den Vollzug des Aktes selbst an, nimmt letztlich die Natur des Menschen nicht ernst, der auch mit Gott nur über seine körperlichen Sinne und über sein sprachliches und gesangliches Vermögen kommunizieren kann.
Zur Sache
Mit mehr Liebe und Sachkompetenz
Dem Vorwurf, dass der sinkende Gottesdienstbesuch eine Folge der Liturgiereform sei, widerspricht Prof. Reinhard Meßner entschieden. Ohne diese Reformen wäre der Rückgang noch viel größer, meint er.
Nicht beliebig. Meßner betont aber auch, dass die Reformen bis heute nicht immer sehr geistreich und bisweilen auch lieblos durchgeführt worden sind. „Die größere Freiheit, die Gottesdienstgestaltung der jeweiligen Situation der Gemeinde anzupassen, erfordert auch eine größere Verantwortung und Sachkompetenz“, fordert Meßner. Die Meinung, dass die Liturgie eigentlich in das Belieben derer, die sie feiern bzw. gestalten, gestellt ist, habe der Sache sicher nicht gedient. Wenn etwas beliebig sei, könne es nicht gleichzeitig von so zentraler existentieller Bedeutung sein.
Das Niveau. „Aber auch eine nur routinemäßig im Sinne eines liturgischen Betriebs ablaufende Messfeier ohne Schönheit, auf geringem kulturellen Niveau, kann nicht anziehend sein“, meint Meßner. Als Beispiel nennt er lieblos ausgewählte Lieder, wo mehrere Strophen abgesungen werden, ohne darauf zu achten, was die Grundaussage des Liedes ist und ob diese zu den Gottesdiensttexten passt. Nach Ansicht Meßners gebe es derzeit zwei Bereiche, wo das Niveau der Gottesdienste dringend gehoben werden müsste: die musikalische Gestaltung und die Predigt. „Nach meiner Erfahrung gilt die ganz einfache Regel: Wo die Musik und die Predigt gut sind, da ist auch der Gottesdienstbesuch nicht schlecht.“„Und noch eines“, so Meßner, „was vielleicht überhaupt die Voraussetzung alles anderen ist: Für den Gottesdienst muss man sich Zeit nehmen. Eine hastige, unter Zeitdruck stehende Liturgie kann keine Ausstrahlung haben.“