Eine „Initiative von Christen” unterstützt den Global Marshall Plan
Ausgabe: 2007/26, Politik, Frauenkloster, Global Marshall Plan, Büchele, EU, Fischler, Krätzl
27.06.2007
- Matthäus Fellinger
Univ.Prof. P. Herwig Büchele SJ (rechts) ist ein Warner „vor der Gefahr der Selbstauslöschung der Menschheit” – so ein Buchtitel von ihm. Von Steinerkirchen aus setzt der ehemalige Professor für Christliche Gesellschaftslehre an der Universität Innsbruck seine Arbeit fort. Im Bild mit Ex-EU-Kommissar Franz Fischler und mit dem Wiener Weihbischof Helmut Krätzl. Foto: Archiv.
Bei den Benediktinerinnen von Steinerkirchen geht es seit kurzem auch um Weltpolitik. Das „Netzwerk für Christen zur Unterstützung der Global Marshall Plan-Initiative” (GMPI) hat hier seinen Sitz. Schwestern arbeiten aktiv mit. Der prominente Sozialethiker P. Herwig Büchele leitet die Initiative. Die KirchenZeitung sprach mit ihm.
Beim G8-Gipfel ist kürzlich ein großes Protestpotenzial gegen die Weltwirtschaft deutlich geworden. Was veranlasst Sie, sich als Priester für Alternativen einzubringen? P. Büchele: Die erlösende Botschaft vom Reich Gottes wendet sich nicht an einige esoterische Kreise, sie spricht nicht nur die verborgene Innerlichkeit des Menschen an, sondern sie zielt die Heilung aller Daseinsbereiche an – die wissenschaftlich-technisch-ökonomischen und politischen nicht ausgenommen. Deshalb lautet die Kernfrage gerade auch meines Engagements als Priester: Wie ist soziale Einheit in Freiheit in einer in sich zerrissenen und zerspaltenen und gleichzeitig hochkomplexen Welt möglich?
Mit welcher Strategie versuchen Sie, eine „Umkehr\" in die Wege zu leiten? Ein Gleichgewicht in der gegenseitigen Abhängigkeit von Staaten (symmetrische Interdependenz) können wir nur dann erreichen, wenn das massive Macht- und Wohlstandsgefälle durch die Einführung globaler Steuern, besser: durch Ausgleichsleistungen verschiedenster Art wesentlich gemildert, wenn nicht ausgeglichen werden kann. Dafür braucht es vor allem in den ärmeren Ländern den Aus- und Aufbau einer Infrastruktur – nämlich von gesellschaftlichen Basisstrukuren, die die Voraussetzungen schaffen, die Gelder sinnvoll einzusetzen, deren Einsatz diese Länder an den westeuropäischen Raum heranführen soll. Die Soziallehre unserer Kirche verkündet das „Gemeingebrauchsprinzip der Güter dieser Erde“. Dieses Prinzip ist für die GMPI – nicht zuletzt für die katholischen und evangelischen Christen in ihr – das ethische Grundprinzip, aufgrund dessen sie die Forderung nach der Einführung globaler Steuern erhebt.
Welche Rolle spielen dabei Religionen? Alle Religionen müssen zum Gott der Feindesliebe und Gewaltfreiheit durchbrechen, wie ihn uns Jesus verkündet hat. Jede Rede von einem Gott, der zur Gewalt aufruft oder sie toleriert, ist aufs Entschiedenste zu verwerfen. Der Gott Jesu Christi bewahrt uns nicht von den Folgen unseres bösen Tuns. Er überlässt uns einem oft unerbittlichen Selbstgericht, in dem sich die Menschen wechselseitig anklagen, verurteilen, in die letzte Einsamkeit stoßen und oft töten.
Haben Sie Hoffnung auf eine Wende zum Besseren ? Ja, Hoffnung schon! Aber der Weg ist steinig!
Das „Netzwerk der Christen” in einem Ordenshaus. Warum? Ich finde es mutig, wenn insbesondere Frauenorden heute neue Wege gehen. Dieses Ordenshaus hier schafft mit das spirituelle Fundament unserer Initiative. Wir wollen vor allem die grundlegenden politischen Imperative der Botschaft Jesu zu leben versuchen – wie die Überwindung des Freund-Feind-Gegensatzes, die Option für die Gewaltfreiheit, die Option für die Armen und die Option einer „kalkulierten Vorleistung“.
Stichwort
Global Marshall Plan
Mit dem „Global Marshall Plan“ wollen Poltiker wie der ehemalige Vizekanzler Dr. Josef Riegler oder Ex-EU-Kommissar Franz Fischler auf ein ausgeglichenes Macht- und Wohlstandsgefälle zwischen den Staaten hinarbeiten. Dieses wird mit dem Begriff der „symmetrischen Interdependenz” – einem Gleichgewicht in der gegenseitigen Abhängigkeit von Staaten – beschrieben. Eine solche Interdependenz liegt z.B. im westeuropäischen Raum vor. Also Ausgangspunkt aller Überlegungen der Global Marshall Plan Initiative (GMPI) ist die Grundfrage: Wie kann man sich – kontinent- und weltweit – einer solche symmetrischen Interdependenz annähern? Das „Netzwerk der Christen“ unterstützt die Initiative, indem es auch eine spirituelle Verankerung schafft.