Vor 80 Jahren hat Sr. Elmara Grünbaum ihre erste Profess abgelegt. Ein absolutes Ausnahme-Fest und noch seltener ist, dass man sich mit der 102-jährigen Jubilarin mithilfe ihrer Mitschwestern recht gut unterhalten kann.
Ausgabe: 2016/36
06.09.2016 - Josef Wallner
Betritt man das Zimmer von Sr. Elmara, steht der Tür gegenüber ein Schreibtisch. Darauf liegen einige Tageszeitungen und Bücher, alles penibel geordnet. Die Ordensfrau hat zeit ihres Lebens großen Wert auf Ordnung gelegt. Das hat sie bis heute beibehalten. Sr. Elmara liest noch ganz gerne, auch wenn die Lesezeiten kürzer werden, erzählen ihre Mitschwestern. Die KirchenZeitung gehört selbstverständlich zu ihrer Lektüre. So oft im Haus Messfeier ist, nimmt sie daran teil. Wenn die drei Borromäerinnen, die mit Sr. Elmara die kleine Kommunität im Altenheim in Stadl-Paura bilden, auswärts die Eucharistiefeier besuchen, feiert sie am Fernsehgerät die heilige Messe mit. „Gut, dass es EWTN gibt“, meint sie. Das Harmonium, das in ihrem Zimmer steht, spielt sie seit zwei Monaten nicht mehr, davor gehörte der Organistendienst Jahrzehnte zu ihrem Leben.
Im Forsthaus aufgewachsen
Geboren wurde Sr. Elmara 1914 in Thörl-Galtenhof in Böhmen. Ihr Vater war Förster in den Besitzungen der Fürstenfamilie Windischgrätz. Nach der Pflichtschule trat sie bei den Borromäerinnen ein. „Da wir Deutsche waren, durften wir in der Tschechoslowakei keine höhere Schule besuchen“, erzählt sie. Darum schickte sie der Orden nach Linz zur Ausbildung als Lehrerin und an die Lehranstalt für wirtschaftliche Frauenberufe.
Erst danach hatte sie das Alter, um gemeinsam mit fast 40 jungen Frauen das Noviziat im Mutterhaus in Prag zu absolvieren. Wenn Sr. Elmara von dem großen Gebäude in Prag zu erzählen beginnt, hat man den Eindruck, dass Gegenwart und Vergangenheit ein wenig verschwimmen. Am 15. August 1936 legte sie ihre erste Profess ab. Tschechisch hat sie nur wenig gelernt: „Warum hätten wir uns bemühen sollen, die Tschechen wollten uns ja nicht“, sagt sie resolut. Ihre Einsatzorte lagen ohnedies im deutschsprachigen Teil der Kongregation vor dem Krieg in Bad Ischl, dann in Gmunden, Stadl-Paura, Leonding, Linz, Ebenzweier – um nur die wichtigsten Stationen zu nennen. Während des Nationalsozialismus, als die Schulen der Schwestern aufgehoben waren, musste sich Sr. Elmara wie viele Ordensfrauen mehr schlecht als recht durchschlagen. Da ist es verständlich, dass ihre Familie, der Sr. Elmara zeitlebens sehr verbunden war, sie von der endgültigen Bindung an den Orden abhalten wollte.
Kampf um die Profess
Ihre ewige Profess 1941 musste sie sich regelrecht erkämpfen, erzählt sie: „Ich habe mich aber durchgesetzt.“ „Die Hartnäckigkeit ist ihr geblieben, aber im guten Sinn“, ergänzen ihre Mitschwestern lächelnd. Nach dem Krieg unterrichtete Sr. Elmara hauptsächlich Religion, aber auch Hauswirtschaft bis 1976. Dann war sie weiterhin in den Häusern des Ordens tätig. Heute fällt es ihr manchmal schwer zu glauben, dass sie nicht mehr arbeiten kann: „Ich muss doch was tun.“ Arbeiten kann sie nicht mehr, sie hat aber Zeiten, in denen sie voller Leben ist. Als die Schwestern mit dem Besucher nach dem Essen plaudernd das Speisezimmer verlassen wollen, ruft sie: „Das Beten nicht vergessen!“ – Gibt es für eine Ordensfrau eine wichtigere Arbeit, als zu beten und an das Gebet zu erinnern? Dieser Arbeit kommt die 102-jährige Sr. Elmara noch immer nach.