Im Osten Deutschlands ist die Kirche zu einer kleinen Minderheit geschrumpft. Trotzdem gibt es lebendige Gemeinden. Die ökumenische Reise führte Ende Juli in das deutsch-tschechisch-polnische Grenzgebiet.
Wer im Internet die Evangelische Pfarrgemeinde Leubnitz im Süden der sächsischen Metropole Dresden besucht, wird auf der Startseite mit dem Propheten Jesaja begrüßt: „Gott spricht: Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?“Eine Reisegruppe von 45 Personen besuchte die Gemeinde Leubnitz-Neuostra im Rahmen der Ökumenischen Reise 2007 leibhaftig – und konnte sich überzeugen: Auch nach den Jahrzehnten der staatlich verordneten Gottlosigkeit gibt es lebendige Gemeinden, in denen christliches Leben neu aufbricht. Von „Volkskirche“ ist man zwar weit entfernt. Rund 3000 Getaufte gehören zu Gabriele Führers evangelischer Pfarre. Zwischen 100 und 150 kommen am Sonntag zum Gottesdienst. Zu Weihnachten allerdings, da ist die Kirche vier mal ganz voll. Die Leubnitz-Kirche ist eine der ältesten Kirchen in Dresden.
Gelebte Ökumene. Rund fünf Prozent der Bevölkerung sind in dieser Gegend katholisch. Für Pfarrer Christoph Baumgarten ist die Zusammenarbeit mit den im katholischen Pfarrgebiet St. Petrus gelegenen vier evangelischen Gemeinden eine Selbstverständlichkeit. In gemeinsamen Arbeitskreisen stimmt man sich ab. Viermal im Jahr feiern die Christen miteinander Gottesdienst. Die Fahrten zum ökumenischen Kirchentag wirken besonders verbindend. Alle zwei Jahre gehen evangelische und katholische Christen einen gemeinsamen Pilgerweg. In der kommunistischen Zeit gab es keinen Religionsunterricht in der damaligen DDR. Also wurden die Kinder im Rahmen der „Christenlehre“ in den Pfarren selbst unterrichtet. So kamen sie mit Kirche in Verbindung. Die staatliche Maßnahme, mit der man den Kirchen den Boden unter den Füßen entziehen wollte, hat so diesen zum Überleben geholfen. Heuer gab es in der evangelischen Pfarre schon über 20 Taufen. In den richtigen Arbeiter-Gegenden, in denen die Arbeitslosigkeit noch dazu hoch ist, findet Kirche allerdings kaum Anklang. Wer sich in der DDR-Zeit zur Kirche bekannte, hatte mit Nachteilen zu rechnen. Bei Bewerbungen wurde man nicht berücksichtigt, Kinder konnten nicht ins Gymnasium.
Kirche an der Grenze. Rund 150 Kilometer östlich von Dresden liegt Görlitz. Der Grenzfluss Neiße schneidet bis heute die Stadt in zwei Teile. Die deutschsprachige Bevölkerung musste 1945 zum Großteil Niederschlesien verlassen. Damals wurde die Oberlausitz vom nun polnischen Schlesien abgeschnitten. Die Fronleichnamsprozession über die Neiße-Brücke war lange die einzige Möglichkeit, mit der die Görlitzer ohne Passkontrolle in den jeweils anderen Stadtteil gelangen konnten. Die „Oberlausitz“, das Gebiet im Dreiländereck, wurde 1945 so auch vom Bistumssitz Breslau abgetrennt.
Ordinariatskanzler Bernd Richter begrüßte die ökumenische Reisegruppe aus Oberösterreich in der Domkirche des erst nach der Wende gegründeten Bistums Görlitz. 30.000 bis 40.000 Katholiken leben heute im Bistum. 100.000 waren es hier nach dem Zweiten Weltkrieg. Viele wandern aus den Ostgebieten an der Grenze ab. Das Fehlen der jungen Generation stellt nicht nur für die Kirchen, sondern insgesamt für die Weiterentwicklung der Region ein massives Problem dar.Trotzdem: Man wird kaum jemand treffen, der den „Niedergang“ des kirchlichen Lebens beklagen würde. Man hat viel Schlimmeres erlebt – und man freut sich über das, was lebt.
Schattenseiten. Beklemmung löste bei der Ökumenischen Reise das Ausmaß der Vertreibungen aus, von denen die Bevölkerung gerade in der Dreiländerregion betroffen war. Immer wieder führt der Weg an ehemaligen Konzentrationslagern und Internierungsgefängnissen vorbei, ob Theresienstadt oder Bautzen. Die „Wende“ kam auch noch gerade rechtzeitig, bevor das Land an den Folgen der Umweltschäden durch den Erz- und Braunkohle-Abbau und durch die Industriebetriebe im Erzgebirge regelrecht erstickt ist. Hier hat sich vieles zum Besseren gewendet.