Andrea Schwarz ist eine der meistgelesenen Autorinnen religiöser Bücher im deutschen Sprachraum. Im Rahmen der Reihe „Haltestellen in der Bibel” kommt sie demnächst nach Linz. Sie wird über die Wirkkraft der Psalmen sprechen. Die KirchenZeitung sprach schon vorab mit ihr.
Sie sind gelernte Industriekauffrau. Was brachte Sie zur Theologie? Industriekauffrau war ich nur eine kurze Zeit, ich bin dann zur Sozialpädagogik gewechselt und über mein Mittun bei der Katholischen Jugend zur Beschäftigung mit Theologie gekommen. Ich wollte einfach eine Arbeit, die Sinn hat, tun. Ich wollte mich dafür einsetzen, dass Menschen die Erfahrung machen können: Gott befreit zum Leben.
Sie sprechen in Linz über Psalmen. Was ist das Besondere daran? Die Psalmen sind das älteste Gebetbuch der Welt. Jesus hat aus diesem Buch gebetet. Er war in den Psalmen zu Hause. Die Lebenswelt von Menschen ist eingefangen in den Psalmen – mit allen Höhen und Tiefen. Ob man nun auf einem Kamel reitet oder im Flugzeug herumfliegt, die Grunderfahrungen der Menschen bleiben gleich. Psalmen sind für mich ein Zuhause geworden. Nelly Sachs nennt sie „Nachtherbergen“ für die Wegwunden. Mich in diese vertrauten Worte hineinzubegeben, wenn ich keine eigenen Worte habe, das hilft mir sehr. Wenn ich Dinge und Erfahrungen zur Sprache bringe, bringe ich Eindrücke zum Ausdruck. So kann ich mich von diesen befreien – auch von den negativen, belastenden Erfahrungen in meinem Leben. Wenn ich Dinge beim Namen nenne, verlieren sie ihre Macht über mich.
Beziehen Sie das auch auf die „Fluchpsalmen“, die von Gott über Menschen Unheil herabrufen? Solche Psalmen muss man in der Gesamtentwicklung des Volkes Israel sehen. Und da bedeuten sie einen Fortschritt. Der Mensch übt jetzt nicht mehr die Rache selbst aus, sondern er überlässt das Gott. Das ist ein Schritt vom Gesetz: „Aug um Aug und Zahn für Zahn“, hin zum: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“! Dinge, auch die negativen Gefühle und den Hass, beim Namen zu nennen, befreit und entlastet.
Ist Beten für Sie eher etwas Gemeinschaftliches oder etwas für einen einzelnen Menschen? Beides. Das Gebet in der Gemeinschaft ermöglicht, mit den Gefühlen anderer in Verbindung zu treten, mit den „mit Mühsal Beladenen“. Indem man gemeinsam die gleichen Gebete spricht, teilt man auch die Gefühle – etwa im Zusammenhang mit Tod und Trauer, aber auch beim gemeinsamen Lobpreis. Auf der andren Seite gilt auch, was Jesus sagt: Wenn du betest, dann geh in dein Kämmerchen und schließe die Tür.
Viele möchten, können aber nicht beten. Was hilft als erster Schritt? Ich kann mir die Sprache anderer leihen – moderne Gebete oder auch Psalmen. Ich muss nicht gleich selbst formulieren, wenn ich beten möchte. Ich kann aber dann lernen, selbst zum Ausdruck zu bringen, wo ich dem Schöpfer besonders dankbar bin, indem ich etwa einen Lobpreis über die schöne Natur jetzt im Herbst spreche.p>
Zur Person
Andrea Schwarz
Andrea Schwarz, geboren 1955, ist ausgebildete Industriekauffrau und hat Sozialpädagogik studiert.
Zuletzt bei Herder „Die Bibel verstehen in 25 Schritten“ (2004), „Propheten sind wir alle. Die Botschaft des Buches Jona“ (2006).
Neu: „Eigentlich ist Weihnachten ganz anders. Hoffnungstexte“, 155 Seiten, Euro 13,30
Andrea Schwarz in Linz. Am Mittwoch, 14. November, 19.30 Uhr, spricht Andrea Schwarz im Pastoralamt Linz im Rahmen der „Haltestellen in der Bibel“ über die Wirkkraft der Psalmen.Am Donnerstag, 15. November: Studientag an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz. 9.30 bis 13 Uhr, Hörsaal 2, über Wallfahrten und Pilgern.