Es ist besonderer Tag für Käthe Recheis und für die Kinder- und Jugendliteratur: die 79-jährige Schriftstellerin erhält den Adalbert Stifter Preis des Landes Oberösterreich. Geehrt wird eine engagierte Schriftstellerin, die seit Jahrzehnten Groß und Klein mit spannendem Lesestoff versorgt.
„Es ist der Preis, über den ich mich am meisten gefreut habe“, sagt die Autorin, die in Wien und Linz lebt. „Meistens arbeitet man lange im Stillen und es dauert, bis man Resonanz bekommt“, erzählt Käthe Recheis. Über 62 Bücher hat sie bereits verfasst und zahlreiche Preise dafür bekommen. „Schreiben ist schöpferisches Tun“, sagt Recheis. Eine Tätigkeit, die sie von Kindheit an begleitet hat: „Ich habe nie einen anderen Berufswunsch gehabt“, erzählt sie. Eine ihrer ersten Veröffentlichungen war1946/47 in einer katholischen Jugendzeitschrift. „Ich hab beim dort ausgeschriebenen Literaturwettbewerb den ersten Preis gemacht. Das war für mich die Bestätigung weiterzumachen“. Zurzeit beschäftigt sie literarisch ihre eigene Katze. „Ein originelles Vieh“, sagt die Schriftstellerin im Gespräch. Katzen und Wölfe kommen in ihren Büchern vor und Kinder, die spannende Abenteuer erleben. Doch die Welt der Kinder betrachtet sie nicht losgelöst vom Weltgeschehen – in Recheis Büchern haben immer auch heikle Themen Platz.
Ihrer Zeit voraus. Als eine der Ersten hat sie sich 1964 in „Das Schattennetz“ (heute: „Geh heim und vergiss alles“) an die Aufarbeitung der Vergangenheit gewagt. Holocaust, Tod und Elend von Menschen kommen in diesem Werk aus der Sicht der 17-jährigen Christine zur Sprache. Romanfigur Christine arbeitet in einem Notspital in einem Auffanglager für ehemalige KZ-Häftlinge. Auch Käthe Recheis hat als junges Mädchen in einem Notspital – an der Seite ihres Vaters – mitgearbeitet. „Sowohl der autobiographische Hintergrund als auch der spezifisch jugendliche Blick, der an keiner Stelle Relativierung aus erwachsener Sicht erfährt, verleihen dem Roman einen Wahrheitsanspruch, dem die damalige institutionalisierte Kinder- und Jugendbuchszene der 1960er Jahre noch längst nicht gewachsen war“, würdigte Festrednerin Dr. Heide Lexe bei der Verleihung des Preises das Frühwerk der Autorin. Ein Werk, das seiner Zeit weit voraus war. „Die Wunden waren noch so frisch!“ – In diesem Zusammenhang erwähnt Käthe Recheis auch den seligen Franz Jägerstätter. „Ich bin froh und glücklich, dass es Menschen wie Jägerstätter gibt. Sein Handeln hat Vorbildwirkung.“
Am Rande. Der Blick für Menschen, die im Verborgenen oder am Rand der Gesellschaft leben, ist ein Markenzeichen von Käthe Recheis – nicht nur als Schriftstellerin. Ihr soziales Engagement für indigene Völker in den USA und in Bolivien ist nur ein Beispiel dafür. „Es ist wohl eine Folge meiner Erfahrung aus der Kindheit: Mein Vater hat mir gezeigt, was Armut bedeutet. Das hat mein soziales Empfinden gestärkt“. Krieg sei immer grausam. Umso wichtiger hält Recheis „aktive Toleranz“ zwischen den Völkern.
Kirche damals und heute. Die religiöse Erziehung habe sie als Kind und Jugendliche gestärkt und vor der NS-Propaganda beschützt. „Ich verdanke es meinen Eltern und den Priestern, dass ich nicht verführt worden bin!“, sagt sie rückblickend. Die Vorboten des 2. Vatikanischen Konzils waren in ihrer Pfarre durch engagierte Geistliche bereits spürbar. Mit Blick auf die Gegenwart wünscht sie sich: „Dass der Geist des Konzils wieder heftiger wehen möge – besonders in den oberen Etagen der Kirchenleitung.“ Hier stellt sie einen gewissen Stillstand fest. „Aber ich bin sicher, dass sich das wieder ändern wird!“, ist Recheis überzeugt. Religion bezeichnet die Schriftstellerin als eine, nicht die einzige Möglichkeit, den Sinn des Lebens zu finden – und ergänzt: „Ohne Sinn kann der Mensch nicht glücklich werden“.