Als Pilger besuchten die österreichischen Bischöfe vergangene Woche das Heilige Land. Über die Eindrücke sprachen wir mit Pax-Christi-Bischof Manfred Scheuer (Innsbruck).
Wie erleben Sie die Situation der Christen im Heiligen Land? Scheuer: Man muss unterscheiden zwischen den arabischen Christen im Norden Galiläas, die israelische Staatsbürger sind. Sie haben ein hohes Bildungsniveau und haben Schwierigkeiten, einen ihnen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden. Anders ist es bei den palästinensischen Christen in Bethlehem. Sie kämpfen mit massiven wirtschaftlichen Problemen, die mit Gewalt und Ungerechtigkeit zu tun haben. Viele von ihnen sind in den vergangenen Jahren ausgewandert, weil sie keine Zukunftsperspektive im Land hatten.
Welche Rolle spielt die christliche Minderheit im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern? Scheuer: Die Christen sind als kleine Minderheit manchmal so etwas wie ein Puffer zwischen Juden und Muslimen. Anders als diese beiden erleben die Christen sehr wenig Solidarität von ihren Glaubensbrüdern im Ausland, sie werden auch von den Christen des Westens zu wenig wahrgenommen. Die Christen des Heiligen Landes deuten ihre Erfahrungen im Lichte der Bergpredigt und im Licht von Tod und Auferstehung Jesu. Der künftige lateinische Patriarch hat das so ausgedrückt, dass sich die Christen in der Situation des Karfreitags befinden.
Können die Christen in dieser Situation einen Beitrag zum Frieden leisten? Scheuer: Es gibt einige Versuche, Brücken zu bauen. Die Christen sprechen sich klar gegen Terror und Gewalt aus, sie sind so eine mäßigende Stimme und fordern Friede und Gerechtigkeit ein. Es gibt kleinere Friedensprojekte, die ein Silberstreif am Horizont sind. Aber es ist die Frage, wie weit sie die Politik beeinflussen können.
Welchen Beitrag können Christen in Österreich leisten? Scheuer: Die Christen des Heiligen Landes sind eine lebendige Kirche, die das Evangelium bezeugen. Wer sie besucht, kommt zuerst als Empfangender und nicht als Gebender hin. Wir haben bei unserem Besuch erfahren, wie wichtig konkrete und leibhaftige Besuche sind. Dafür sind die Christen sehr dankbar.
Geht es auch um konkrete wirtschaftliche Hilfe? Scheuer: Natürlich ist auch humanitäre Hilfe wichtig, wie etwa für das Caritas-Baby-Hospital in Bethlehem, das von einem Österreicher geleitet wird. Auch der wieder anlaufende Tourismus führt zur Stärkung der gemäßigten Kräfte.
Wie schaut es mit Pilgerfahrten aus? Scheuer: In den vergangenen sieben Jahren sind nur wenige Pilger ins Heilige Land gekommen. Wir Bischöfe möchten die Menschen zu Pilgerfahrten ermutigen, auch nach Bethlehem. Einige Diözesen werden das im kommenden Jahr machen. Solche Reisen sind eine Stärkung des eigenen Glaubens und eine Stärkung der Christen im Heiligen Land.
Welche Chancen sehen Sie für den Friedensprozess? Scheuer: Man kann nicht ins Heilige Land fahren und sagen: wir machen jetzt dort Frieden. Man kann auch nicht mit Rezepten oder guten Ratschlägen kommen. Es geht vielmehr darum, die Situation wahrzunehmen, Solidarität zu bekunden und jene Gruppen zu stärken, die Brücken bauen wollen. In Ostjerusalem ist heute einiges möglich, was vor 15 Jahren noch undenkbar war. Andererseits ist nicht abzusehen, wie Mauern des Hasses und der Verachtung überwunden werden können. Klar ist aber, dass Terror oder auch Abschottung keine Zukunft ermöglichen. Wir beten, dass die Konferenz in Anapolis (USA) Ende November Fortschritte in Richtung einer friedlichen Lösung bringen wird.
Das Hirtenwort und die Rede von Kardinal Schönborn in Yad Vashem:
Zur Sache
Brief aus Galiläaa
Im Rahmen ihrer Pilgerreise ins Heilige Land hielten die österreichischen Bischöfe auch ihre Herbstkonferenz ab. In einem „Brief aus Galiläa“ berichten sie von den Beratungsergebnissen. Sorge bereiten den Bischöfen die breite Aushöhlung und der Zerfall tragender Werte wie Familie, Ehe, Solidarität mit den Ungeborenen sowie Solidarität mit kranken und alten Menschen und der Mut zu mehr Kindern. Zu dem auch im Vorfeld des Papstbesuches angesprochenen innerkirchlichen Problemen (Priestermangel, Glaubensschwund u. a.) meinten die Bischöfe, sie wollen diesen Fragen und Spannungen nicht ausweichen und sie nicht kleinreden. „Wir in der Kirche Österreichs müssen allerdings tiefer graben und auch tiefer denken, als dies jetzt oft vorgeschlagen wird.“