„Das Problem ist nicht der Aktienmarkt“, sagt der Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre, Dr. Johann Brunner. – Die Ursache für die gegenwärtige Krise auf den Aktienmärkten sind Investmentbanken in den USA, die mit zu geringem Eigenkapital sehr unsichere Geschäfte gemacht haben.
Täglich gibt es Meldungen über sinkende Aktienkurse. „Durchtauchen“ raten Bankleute wie etwa VKB-Generaldirektor Dr. Albert Wagner und andere Fachleute wie der kirchliche Spezialist für ethisches Investment, Dr. Markus Schlagnitweit. Auch für Uniprofessor Johann Brunner besteht kein Grund zur Panik.
Finanzieren. Zeigt aber die gegenwärtige Krise nicht, dass Aktienhandel grundsätzlich ethisch fragwürdig ist? – Nein, sagt Schlagnitweit. „Aktien sind per se nichts Schlechtes. Unternehmen brauchen Kapital.“ Für Schlagnitweit ist das Kreditgeschäft wegen der Zinseszins-Rechnung deutlich problematischer als die durch Aktien ausgewiesene Kapital-Überlassung.
Erwarten. Brunner stellt die Frage, wie treffsicher Aktienkurse die Situation von Unternehmen abbilden. Steigende Aktienkurse sagen grundsätzlich aus, dass das betreffende Unternehmen bessere Erfolgsaussichten bzw. mehr Betriebsvermögen hat. Aber die Psychologie der Anleger/Käufer/Verkäufer kann auch Aktienkurse verrückt machen. Solange die Realökonomie nicht dramatisch einbreche, seien Kursverluste eine Korrektur überhöhter Bewertungen des Unternehmens, sagt Brunner. Die jetzigen Korrekturen nach unten sind ausgelöst durch die Verluste amerikanischer Banken infolge der Immobilienkrise in den USA. „Leute haben in der Hoffnung Immobilien gekauft, dass deren Preise weiter steigen werden, um sie dann gewinnbringend verkaufen zu können.“ Diese Blase ist geplatzt und Banken sind auf Krediten sitzen geblieben. War es verantwortungslos? – Der Ökonom verwendet dafür andere Wörter: „Die handelnden Personen haben hohe Erwartungen gebildet, die sich nicht erfüllt haben.“
Kontrollieren. Aktien werden weltweit in großem Stil gehandelt. Aktionäre sind Miteigentümer an den Unternehmen. Das Problem, so Schlagnitweit, ist, dass sich Eigentümer- und Unternehmerstruktur entfremden. Viele Eigentümer – Aktionäre – handeln ohne Bezug zum Unternehmen. Andererseits können vereinzelte Aktionäre nicht wirklich Einfluss nehmen. Daher gibt es Agenturen, die Aktionärsinteressen gebündelt vertreten. Darunter sind Agenturen, die das Augenmerk auf ethische Kriterien legen. CRIC etwa wird im deutschen Sprachraum in diesem Sinn agieren. Bei diesem Verein ist auch die Diözese Linz Mitglied. Was aber kann der kleine Anleger tun? – Er soll sich in Ethikfonds einkaufen, rät Schlagnitweit. Eine Totalopposition helfe nichts. Mit einer Totalopposition gegen den Finanzmarkt lüge man sich zum Teil in die eigene Tasche, sagt Schlagnitweit. Man müsse ja auch sehen, dass man mit einem herkömmlichen Sparbuch noch weniger Kontrolle darüber hat, was mit seinem Geld passiert. Denn die Bank arbeitet damit – kauft Aktien oder vergibt Kredite. Wer in Aktien anlegt, kann bewusst nach ethischen Kriterien handeln. Eine weitere Möglichkeit – im Sinne weltweiter Fairness – sind Mikro-Kredite. Geld wird Kleinstunternehmern in armen Ländern gegeben.
Steuern. Die Politik müsse Rahmenbedingungen schaffen, die den vom Unternehmensinteresse abgekoppelten Aktienhandel (im Extremfall Kauf und Verkauf im Minutentakt) unattraktiv macht. Bremsen könnte hier eine minimale Transaktionssteuer (0,1 bis 0,5 Prozent). Das schlagen zum Beispiel der „Global Marshall Plan“ (siehe Seite 5) und ATTAC, eine internationale Organisation „zur Besteuerung von Finanztransaktionen zugunsten der Büger/innen“, vor.
- www.schlagnitweit.at; www.geldundethik.org - www.cric-ev.de u www.oikocredit.org