„Auf dass den Gläubigen der Tisch des Gotteswortes reicher aufbereitet werde, soll die Schatzkammer der Bibel weiter aufgetan werden, sodass innerhalb einer bestimmten Anzahl von Jahren die wichtigsten Teile der Heiligen Schrift dem Volk vorgetragen werden.“ (Vat. II, Dokument über die Liturgie, 1962, Art. 51). Foto: KNA.
Vor mehr als 45 Jahren hat sich das Zweite Vatikanische Konzil mit Grundfragen des kirchlichen Lebens auseinandergesetzt. Erstes Thema war die Feier der Liturgie, also des Gottesdienstes. Besondere Bedeutung hatte dabei die Frage nach der Stellung und der Auswahl der biblischen Texte für die Eucharistiefeier. In jeder Messfeier werden im Wortgottesdienst Abschnitte aus der Heiligen Schrift gelesen. In unserer Fachsprache sprechen wir dabei von der „Verkündigung“ der biblischen Texte. Denn sie werden ja nicht nur vorgelesen; sie werden uns als gute Botschaft von Gott verkündet. Da die Bibel zu umfangreich ist, um sie als Ganzes in der Abfolge eines Jahres im Gottesdienst zu lesen, musste immer ausgewählt werden. In der früheren Leseordnung wurden in einem einjährigen Rhythmus immer die gleichen Evangelien und Lesungen vorgetragen. So kam zwar ein kleiner Ausschnitt aus der Bibel regelmäßig zur Sprache, der größere Teil wurde im Gottesdienst jedoch nie verkündet.
Größere Vielfalt. Das Konzil wollte dies ändern. Im ersten Dokument, das von dieser Kirchenversammlung beschlossen wurde, wird festgelegt, dass der wiederkehrende Rhythmus der Lesungen aus der Bibel ausgedehnt werden soll, sodass es möglich wird, eine größere Zahl biblischer Textabschnitte im Gottesdienst zu Gehör zu bringen. Das Anliegen ist gut nachvollziehbar: Im Gottesdienst soll eine größere Vielfalt aus der Bibel verkündet werden. Denn – so das Konzil – die Bibel ist wie eine „Schatzkammer“, und diese muss für die Menschen offen und zugänglich sein. Dieser bildhafte Vergleich spiegelt die große Bedeutung, welche das Konzil der Heiligen Schrift als wichtigem Bestandteil der Gottesdienstfeier zugemessen hat.
Im Zuge der Umsetzung dieses Beschlusses wurden nach dem Konzil ein wiederkehrender Ablauf von drei Jahren für die biblische Verkündigung an Sonn- und Feiertagen festgelegt. Zugleich wurde die entsprechende Leseordnung neu bearbeitet und in erster Linie an den Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas ausgerichtet. Abschnitte aus diesen Evangelien werden seither in den Lesejahren A, B und C verkündet. Zusätzlich wurde der Wortgottesdienst in der Eucharistiefeier erweitert: Statt zwei Abschnitten aus der Bibel (Lesung und Evangelium) sollen seit der Neuordnung nach dem Konzil drei Abschnitte im Gottesdienst verkündet werden: zwei Lesungen und ein Evangelium. Bei der Auswahl der Lesungen steht eine stärkere Berücksichtigung des so genannten Alten Testaments und die Idee von aufeinander folgenden zusammenhängenden Abschnitten aus den biblischen Schriften im Vordergrund. Ausgenommen davon bleiben die so genannten „geprägten“ Zeiten des Kirchenjahres: die Advents- und Weihnachtszeit sowie die österliche Bußzeit und die Osterzeit.
Seit dem Konzil greifen wir also intensiver nach dem „Schatz“ des Gotteswortes in der Liturgie. Dass dabei trotzdem Lücken bleiben, liegt auf der Hand. Gerade das soll uns hier in dieser Serie weiter beschäftigen.
Walter Kirchschläger, Professor für Auslegung des Neuen Testaments, Theol. Fakultät, Universität Luzern.
Fragen bzw. Anregungen für die Bibelarbeit
Blättern Sie das Markusevangelium durch: + Welche Textabschnitte sind Ihnen bekannt? + Können Sie allenfalls auch sagen, woher: Religionsunterricht, Verkündigung im Gottesdienst, Bibelrunde, anderes? Suchen Sie im Lukas- und im Matthäusevangelium nach jenen Textabschnitten, die Sie in der Weihnachtszeit im Gottesdienst gehört haben.
Lesen Sie diese Abschnitte und achten Sie auf deren Anfang und Ende.
Stimmt die Abgrenzung mit dem Leseumfang im Gottesdienst überein?
WALTER KIRCHSCHLÄGER, Professor für Auslegung des Neuen Testaments, Theol. Fakultät, Universität Luzern
Im untenstehenden LINK finden Sie zur Serie Anregungen zur Bibelarbeit bzw. das Markus-Evangelium, farblich markiert in den gelesenen und nichtgelesenen Texten im Lesejahr B.