Das Evangelium nach Markus ist wie jedes unserer Evangelien nicht als bloße Sammlung vieler kleiner Erzählungen zu sehen, sondern es ist als durchdachte und kunstvoll durchkomponierte Einheit zu verstehen.
Jedes Jahr und damit auch jedes Kirchenjahr hat seinen eigenen Ablauf aufgrund der Kalenderarithmetik. Das wirkt sich natürlich auch auf das Lesejahr aus. (Siehe zu diesem Artikel einen Überblick über das Lesejahr und den nach Sonntagsperikopen markierten Text des Markusevangeliums auf www.kirchenzeitung.at).
Der hier folgende Überblick zeigt die zusätzlichen Unterbrechungen in der fortlaufenden Lesung des Markusevangeliums, neben jenen der festbezogenen Schwerpunktsetzungen in den geprägten Zeiten und der kalenderbedingten Unregelmäßigkeiten. So entstehen Lücken in der Lesung des Markusevangelium, die zumindest teilweise vermeidbar wären.
Das Markusjahr 2009 hat mit dem 1. Adventsonntag (30. November 2008) begonnen. Nach Textabschnitten aus dem Markusevangelium am 1. und am 2. Adventsonntag wurden in der Advents- und Weihnachtszeit keine weiteren Markus-Texte gelesen. Erst mit dem Fest der Taufe Jesu, zugleich der 1. Sonntag im Jahreskreis (1. So/Jk, 11. Jännner 2009), sind wir zum Markusevangelium zurückgekehrt (Mk 1, 7–11). Das Lesejahr folgt nun dem Markus-Erzählfaden bis zur Fastenzeit, also konkret bis zum 7. So/Jk (22. Februar), an diesen Sonntagen werden Textabschnitte aus Mk 1–2 gelesen. Da das Fest der Bekehrung des Paulus (25. Jänner) heuer den 3. So/Jk verdrängt, fällt der zum Sonntag vorgesehene Textabschnitt (Mk 1, 14–20) in diesem Lesejahr aus und wird durch das Evangelium des Festes (Mk 16, 15–18) ersetzt.
In der Österlichen Bußzeit (Fastenzeit) werden als Sonntagsevangelien Textabschnitte ausgewählt, die dem Charakter dieser Zeit entsprechen. Sie sind am 1. und 2. Fastensonntag und am Palmsonntag dem Markusevangelium entnommen, folgen aber keiner fortlaufenden Leseordnung. Das Gesagte gilt auch für die Osterzeit. Für die Osternacht, den Ostersonntag und das Hochfest Christi Himmelfahrt sind Abschnitte aus Markus vorgesehen, die dem Inhalt dieser Hochfeste entsprechen. An den übrigen Sonntagen der Österlichen Bußzeit und der Osterzeit sowie am Hochfest Pfingsten sind die entsprechenden Texte aus dem Johannesevangelium.
Mit dem 10. So/Jk wird am Sonntag nach Pfingsten die Abfolge der Sonntage im Jahreskreis wieder aufgenommen. Da diese Sonntage jedoch vom letzten Sonntag im Kirchenjahr zurückgerechnet werden (siehe genauer dazu in der vorherigen Folge), wird hier nicht mit dem 8. Sonntag fortgesetzt, sondern es werden der 8. und 9. So/Jk (mit den entsprechenden Evangelien aus Mk 2) in diesem Lesejahr ausgelassen. Diese Systematik greift ab dem 2. Sonntag nach Pfingsten (also dem 11. So/Jk), da am Sonntag nach Pfingsten das Hochfest Dreifaltigkeitssonntag gefeiert wird, dem eigene Evangelientexte zugeordnet sind (in diesem Jahr Mt 28, 16–20). Dies gilt auch für das Hochfest Fronleichnam.
Die zweite durchgehende Reihe einer kontinuierlichen Lesung des Markusevangeliums beginnt mit dem 11. So/Jk (14. Juni) und dauert bis zum 33. So/Jk. An diesen Sonntagen werden Abschnitte aus Mk 4–12 gelesen. Die Kontinuität wird allerdings durch zwei Gegebenheiten unterbrochen: Vom 17. bis zum 21. So/Jk erfolgt (nur) im Markus-Jahr ein Einschub aus dem Johannesevangelium mit fünf Abschnitten aus Joh 6. Mit dem 22. So/Jk kehrt die Leseordnung wieder zu Markus zurück.
Zu dieser in der Leseordnung vorgegebenen Unterbrechung kommt kalenderbedingt eine weitere hinzu: Das Hochfest Allerheiligen fällt heuer auf einen Sonntag, es verdrängt den 31. So/Jk (Mk 12, 28b–34). Schließlich endet das Kirchenjahr mit dem Hochfest Christkönig (= 34. So/Jk), für das in jedem Lesejahr ein eigenes Evangelium (im Markus-Jahr: Joh 18, 33b–37) vorgesehen ist.
Jene aufgezeigten Lücken in der Lesung des Markusevangeliums, die zumindest teilweise vermeidbar wären, werden uns kommende Woche hier beschäftigen.Dr. Walter Kirchschläger, Professor für Auslegung des Neuen Testaments, Theol. Fakultät, Universität Luzernn Auf www.kirchenzeitung.at finden Sie Anregungen zur Bibelarbeit zum Artikel bzw. das Markus-Evangelium, farblich markiert in allen (nicht-)gelesenen Texten im Lesejahr B.
Lesen Sie kommende Woche hier: Die Lücken in der Markuslesung
Das Markusjahr 2009: Vorschlag für Bibelarbeit
Lesen Sie in Ihrer Textausgabe der Bibel den Abschnitt Mk 1, 7 – 2, 12. Gliedern Sie diesen Abschnitt in Erzähleinheiten und schreiben Sie das Ergebnis Ihrer Arbeit listenförmig auf.
Vergleichen Sie das Ergebnis mit den entsprechenden Anzeichnungen der Leseordnung im Mk-Text, wie er Ihnen im Internet zur Verfügung steht: Was fällt Ihnen dabei auf. Versuchen Sie, den Befund zu erklären.
WALTER KIRCHSCHLÄGER, Professor für Auslegung des Neuen Testaments, Theol. Fakultät, Universität Luzern
Im untenstehenden LINK finden Sie zur Serie Anregungen zur Bibelarbeit bzw. das Markus-Evangelium, farblich markiert in den gelesenen und nichtgelesenen Texten im Lesejahr B. Zu: Markus_Lesejahr_B_09.pdf