„Die Schöpfung“ zählt zu den populärsten Werken von Joseph Haydn. Sie fasst in großartige Musik, was Haydn fühlte: „Wenn ich an Gott denke, ist mein Herz voll Freude.“
„Haydn war sehr religiös gesinnt, und dem Glauben, in welchem er aufgewachsen war, treu ergeben. Sein Gemüth war von der Ueberzeugung, daß alle menschlichen Schicksale unter der leitenden Hand Gottes stehen, daß alle Talente von oben kommen, aufs lebhafteste durchdrungen. […] Wenn es mit dem Komponieren nicht so recht fort will, hörte ich ihn sagen, so gehe ich im Zimmer auf und ab, den Rosenkranz in der Hand, bete einige Ave [Maria], und dann kommen mir die Ideen wieder.“ So berichtet es Haydns Freund und Biograph Georg August Griesinger. Es war demzufolge ein tiefes Gottvertrauen, ein ungetrübtes Verhältnis zu Glaube und Religion, das Haydn zeitlebens mit der katholischen Kirche verband. Vielleicht ist auch deshalb Haydns Kirchenmusik heiterer, weniger spannungsgeladen und aufwühlender, manche sagen auch kindlicher, als jene von Mozart und anderen Zeitgenossen.
Das geistliche Werk. Im Vergleich zu seinem umfangreichen Schaffen nimmt sich das geistliche Werk von Joseph Haydn relativ bescheiden aus. An liturgischer Musik sind es zwölf Messen sowie eine überschaubare Anzahl kleinerer kirchenmusikalischer Werke. Dazu kommen mit „Il ritorno di Tobia“ (Die Heimkehr des Tobias), „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ und „Die Schöpfung“ drei Oratorien über biblische Themen. Haydns geistliche Werke entstanden in einem Zeitraum von mehr als 50 Jahren. Sein frühestes erhaltenes Werk ist die Missa brevis in F-Dur, die so genannte „Jugendmesse“ (wahrscheinlich 1749). Und am Ende seines Schaffens steht mit der „Harmoniemesse“ (1802) wiederum ein geistliches Werk.
Von Jugend an. Als Sängerknabe am Wiener Stephansdom lernte Haydn wie sein jüngerer Bruder Johann Michael bereits im Kindesalter ein vielfältiges kirchenmusikalisches Repertoire kennen. Nach einem Jahrzehnt als freischaffender Künstler, in dem er u. a. als Organist, Geiger und Sänger an Wiener Kirchen seinen Unterhalt verdiente, wurde Haydn 1761 von der Familie Esterházy in den Dienst genommen. Nach dem Tod seines Amtsvorgängers Johann Gregor Werner übernahm Haydn 1766 die Kapellmeisterstelle, womit ihm auch die Verantwortung für die Kirchenmusik an den Höfen in Eisenstadt und in Esterháza übertragen war. Mehrere kirchenmusikalische Werken entstanden in der Folge: die „Caecilienmesse“ (um 1766), seine umfangreichste Messvertonung, die „Große Orgelsolomesse“ (um 1768/69) und das Salve Regina in g-Moll (1771). In Erfüllung eines Gelübdes an die Gottesmutter für die Genesung nach einer schweren Erkrankung soll Haydn 1767 das Stabat Mater vertont haben. Haydn schickte Johann Adolf Hasse die Partitur zur Begutachtung, der ihn „mit unaussprechlichen lob über dieses werck beehrte“. Es ist Haydns erstes geistliches Werk, das im Druck erschienen ist und ihn in Europa bekannt machte.
Kunstsinniger Fürst. Das musikalische Interesse von Haydns langjährigem Dienstherrn Fürst Nikolaus I., „der Prachtliebende“ genannt, galt vor allem der Instrumentalmusik; er liebte auch die Oper und beauftragte Haydn mit musikdramatischen Werken. Die Pflege der Kirchenmusik war für den Fürsten nachrangig. Bis zum Beginn des regelmäßigen Opernbetriebs am fürstlichen Hof im Jahr 1776 schuf Haydn nur noch wenige sakrale Werke, darunter für den Konvent der Barmherzigen Brüder in Eisenstadt um 1775 die sogenannte „Kleine Orgelsolomesse“, wohl die bekannteste seiner Messen, die bis heute von vielen Chören gerne gesungen wird.
Der Musikpionier. Danach gab es weder Zeit noch Anlass zum Komponieren geistlicher Musik. Haydn hatte „von der Welt abgesondert“ die Möglichkeit, vieles auszuprobieren und so seinen unverwechselbaren Stil zu finden. Als Pionier der klassischen Instrumentalformen Sinfonie, Klaviersonate und Streichquartett hat er die Musik seiner Zeit nachhaltig geprägt. Neben dem Übermaß an höfischen Verpflichtungen waren es auch die 1783 von Kaiser Joseph II. erlassenen puristischen Vorschriften zur liturgischen und musikalischen Gestaltung der Gottesdienste (Josephinische Reformen), die Haydn in der Folgezeit abhielten, liturgische Werke zu komponieren. Einem Auftrag des Domkapitels der andalusischen Hafenstadt Cádiz ist die berührende Meditationsmusik über die „Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ (1786/87) zu verdanken, von Haydn selber für Streichquartett und als Oratorium für Soli, Chor und Orchester bearbeitet.
Erfolg in London. Nach dem Amtsantritt von Fürst Paul Anton II. Esterházy – im Gegensatz zu seinem Vater war er unmusikalisch und ohne Kunstverständnis – wurde im September 1790 die gesamte Hofmusik aus dem Dienst entlassen; nur Haydn und ein Konzertmeister blieben ohne Verpflichtungen im Amt. Bald darauf brach der Komponist zur ersten Englandreise auf und feierte dort mit Sinfonien und anderen Instrumentalwerken große Erfolge. Während seiner beiden London-Aufenthalte 1791/92 und 1794/95 lernte Haydn auch die großen Oratorien von G. F. Händel kennen – und schätzen.
Große Messen. Unter Fürst Nikolaus II. wurde Haydn wieder enger an den Esterházyschen Hof gebunden. Zu seinen größeren Verpflichtungen gehörte fortan die Komposition einer „festlichen Messe“, die jeweils zum Namenstag der kunstsinnigen Fürstin aufgeführt wurde. Vor dem geschichtlichen Hintergrund der Franzosenkriege entstanden die sechs großen Messen der Jahre 1796 bis 1802: die „Heiligmesse“, die „Paukenmesse“ (Missa in tempore belli – in Zeiten des Krieges), die „Nelsonmesse“, die „Theresienmesse“, die „Schöpfungsmesse“ und die „Harmoniemesse“ – Werke, auf die der ansonsten bescheidene Komponist durchaus „etwas stolz“ war.
Fröhliches Herz. In den Vokalwerken der letzten Schaffensperiode gelingt Haydn eine dichte Verbindung von musikalischem Reichtum und Originalität mit spiritueller Tiefe. Das Verschmelzen von der kirchenmusikalischen Tradition und von in der Volksmusik verwurzelten Melodien ist ein Grund für die große Popularität seiner letzten Vokalwerke. An erster Stelle ist hier sein Oratorium „Die Schöpfung“, uraufgeführt 1798 in Wien, zu nennen. Angesprochen auf den fröhlichen Charakter seiner Kirchenmusik soll Haydn erwidert haben: „Ich weiß es nicht anders zu machen. Wie ich’s habe, so gebe ich’s. Wenn ich aber an Gott denke, so ist mein Herz voll Freude, dass mir die Noten wie von der Spule laufen. Und da mir Gott ein fröhliches Herz gegeben hat, so wird er mir’s auch verzeihen, wenn ich ihm auch fröhlich diene.“
Stichwort
In der barocken (Kalvarien-) Bergkirche von Eisenstadt findet am Todestag von Joseph Haydn ein umfangreiches künstlerisches Programm statt, u. a. mit Uraufführungen der Komponistinnen Olga Neuwirt und Adriana Hölszky. 1820, elf Jahre nach seinem Tod in Wien, wurde Haydn in der Bergkirche bestattet. 1954 konnte auch das unter abenteuerlichen Umständen abgetrennte Haupt des Komponisten im Haydn-Mausoleum beigesetzt werden. Am Pfingstsonntag überträgt der ORF aus der Bergkirche Haydns „Schöpfungsmesse“ (ORF 1, 9.30 Uhr).
Unter dem Titel „gottbefohlen“ zeigt das Eisenstädter Diözesanmuseum im Franziskanerkloster die Bedeutung der Kirchenmusik auf dem Fürstenhof von Esterházy und Joseph Haydns Anteil daran. Eine Ausstellung, die alle Sinne ansprechen will. Haydn selbst verstand nicht nur sein geistliches Werk als „Gottesdienst“. Unter fast allen seinen Kompositionen steht ein „Laudas Deo“ (Lob sei Gott).
Zur Person
Joseph Haydn
Joseph Haydn wird am 31. März 1732 in Rohrau (NÖ) als Sohn einer Wagner-Familie geboren. 1740 wird er Sängerknabe am Stephansdom in Wien. Ab 1749 verdient er sich als Musiker an Wiener Kirchen, als Klavierlehrer und als Musikdirektor bei Graf Morzin in Lukawitz seinen Lebenunterhalt. 1761 tritt er in den Dienst der Fürsten Esterházy, denen er über 40 Jahre verbunden bleibt. 1781 lernt Haydn Wolfgang Amadeus Mozart kennen. Beide verbindet eine lebenslange Freundschaft und eine ungewöhnliche gegenseitige musikalische Bereicherung. Seine beiden Englandreisen 1790 und 1794/95 werden zum großen Erfolg und etablieren Haydn endgültig als einen der großen „neuen Komponisten“ seiner Zeit. Wenige Tage nach dem Einmarsch der napoleonischen Truppen in Wien stirbt der Komponist der „Kaiserhymne“ am 31. Mai 1809 in seinem Wiener Wohnhaus. Bei seiner Totengedenkfeier wird das Requiem seines Freundes Mozart gespielt.
Im Laufe seiner gut 50-jährigen Schaffensperiode hat Joseph Haydn über 500 Werke geschaffen, darunter 104 Symphonien, 24 Opern und 83 Streichquartette, in denen Haydn seine höchste Meisterschaft erreichte, wie ihm Mozart neidlos zugestand. Als Johann Sebastian Bach starb, war Haydn 18 Jahre alt. Die Barockmusik hatte ihren Höhepunkt erreicht. Neues lag in der Luft. Und Haydn nahm die Herausforderung mit großem Können und einer bis heute unterschätzten Experimentierlust und Kreativität an. „Ich war“, so sagte er, „von der Welt abgesondert (in Eisenstadt), niemand in meiner Nähe konnte mich an mir selbst irremachen und quälen, und so musste ich original werden.“