Ikone des Völkerapostels aus der Pauluskirche in Konya (Türkei). Paulus hat im damaligen Ikonia eine Christengemeinde begründet.
Lieber Apostel Paulus,ich bin ein begeisterter Leser deiner Briefe. Und da ich seit meinem Klostereintritt vor 25 Jahren deinen Namen trage, möchte ich es wagen, nun auch dir einen Brief zu schreiben.
Mein Name. Vor meinem Eintritt in das Stift Schlägl bin ich gefragt worden, welchen Namen ich mir als Ordensmann vorstellen könnte und aus einigen Vorschlägen habe ich mich damals sehr spontan für „Paulus“ entschieden. Ich konnte damals noch gar nicht ahnen, wie sehr so ein Name die eigene Lebens- und Glaubensgeschichte prägen kann.
Gnade. Im Lauf der Jahre durfte ich entdecken, dass der Name Paulus ein Lebensprogramm ist. Für mich gibt es einen roten Faden, der sich durch mein Leben hindurchzieht, der mit einem einzigen Wort beschrieben werden kann: Gnade. Es ist das Zauberwort deines Evangeliums, das du energisch und unermüdlich immer wieder den Menschen verkündet hast. Je mehr und je länger ich auf meine Lebens- und Glaubensgeschichte zurückblicken kann, umso deutlicher wird für mich die Erkenntnis, dass meine Berufung das Geschenk meines Lebens ist, das Gott mir in einzigartiger Weise angeboten hat. Kein anderer hätte an meiner Stelle dieses Geschenk annehmen können, weil Gott mich – und einen jeden Menschen – in einer einzigartigen Weise angenommen und gerufen hat.
Gut genug. Ein wesentlicher Aspekt dieser Gnade ist für mich der Umgang mit den eigenen Schwächen. Mehr als einmal bin ich vor der Frage gestanden: Ist das mein Weg? Bin ich gut genug für eine solche Entscheidung? Gibt es nicht andere, die dafür besser geeignet sind? Der Blick auf deine Botschaft hat mir dabei sehr oft geholfen: „Gottes Gnade genügt mir und wo ich schwach bin, da bin ich stark.“ Ich habe gespürt, dass diese deine Worte immer mehr zur Mitte meines geistlichen Lebens geworden sind und wie sehr diese Haltung zum tragfähigen Fundament geworden ist, auf das ich meine Berufung bauen konnte.
Ermutigen. Ich sehe es heute als eine meiner wichtigsten Aufgaben, dass ich als Seelsorger und Priester die Menschen in ihrer je eigenen Berufung ermutige und die Menschen von der Angst befreie, sie wären zu wenig geeignet, um eine Aufgabe in der Gemeinde zu übernehmen. Wir leben heute in einer Welt, in der viele Menschen nur mehr an ihrer Leistung – oder wie du gesagt hättest: an ihren Werken – gemessen werden. Und nicht daran, dass sie alle Kinder Gottes sind – mit einer Würde und einem Wert, den nicht wir bestimmen, sondern der ihnen aus der Gnade und Liebe Gottes zukommt.
Etwas zutrauen. Ich möchte mitbauen an einer Kirche, in der Menschen die Erfahrung machen können, dass sie sich etwas zutrauen dürfen, weil Gott ihnen etwas zutraut. Gott ist einer, der Menschen herausfordert, aber nicht überfordert. Ich sehe in dir das Vorbild jenes begnadeten Menschen, der diese Herausforderungen Gottes angenommen hat und in den Zumutungen seiner Berufung auch den Mut gefunden hat, konsequent und beständig immer den nächsten Schritt zu wagen.
Für dieses Lebenszeugnis bin ich dir sehr dankbar. Dein Paulus Christian Manlik
Briefe an Paulus
Mag. Paulus Christian Manlik ist Mitglied des Prämonstratenserstiftes Schlägl. Er arbeitet als Religionslehrer im Gymnasium Rohrbach und als Pfarrer in Oepping.