Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes. Diese Erfahrung des Apostels Paulus wurde auch für Pia Schildmair zu einer starken Kraft in schwierigen und bedrohlichen Situationen. Im Bild mit einer Kollegin vor einem brasilianischen Gefängnis.
Lieber Paulus! Heute möchte ich dir, dem großen Missionar, schreiben.
Es beeindruckt mich, dass du versucht hast, in die Sprache und Denkweise der Menschen deiner Zeit einzutauchen. Du wolltest den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche werden, weil dir die Frohe Botschaft viel wichtiger war als alle Grenzen, die Menschen gesetzt haben. Ich habe auch versucht, den Brasilianern eine Brasilianerin und den Schwechatern eine Schwechaterin zu werden. Aber das ist gar nicht so leicht, weil es bedeutet immer wieder neu anzufangen und mich verändern zu lassen. Ein alter Missionar hat mir in Brasilien einmal gesagt, das Wichtigste in der Mission ist, dass sich nicht die anderen ändern müssen, sondern wir Missionare uns selbst. Das hat mich berührt. Deshalb finde ich es schön, dass du immer wieder dazugelernt hast. Besonders stark fand ich deine „Bekehrung“ bei Damaskus. Du hast zugelassen, dass eine Gotteserfahrung dein Leben und deine Werte vollkommen auf den Kopf stellt. Hut ab, ich weiß nicht, ob ich zulassen würde, dass mein Leben so vollkommen geändert würde – selbst wenn Gott zu mir sprechen würde.
Mit Grenzen leben. Du schreibst, du weißt, wie schwach du selbst bist und wie sehr du auf Gottes Gnade angewiesen bist. Ich kenne das Scheitern auch, z. B. als ich in Brasilien nicht verhindern konnte, dass Gefangene umgebracht wurden. Da habe ich gespürt, wie wenig ich den Erfolg meines Handelns in der Hand habe. Es hängt alles von Gott ab. Noch schwieriger ist das Annehmen der eigenen Grenzen und Schwächen, der Tatsache, dass ich selbst manches besser machen hätte können. Es ist tröstlich, wenn du sagst, dass Gottes Kraft sich in meiner Schwachheit erweist und Gott selbst meine Fehler nützt.
In Gottes Hand. Dein Einsatz hat dich viel gekostet. Du warst im Gefängnis, bist gefoltert worden und kennst Angst und Not. Trotzdem schreibst du, dass du gewiss bist, dass uns nichts trennen kann von der Liebe Gottes. Das finde ich stark. Ich kenne diese Grenzerfahrungen auch, in denen ich spüren darf, wie mich der Glaube trägt. Als ich vor einigen Jahren in Guatemala war, habe ich Flüchtlinge begleitet, die in großer Gefahr waren. Ich hatte selbst viel Angst, als ich durch den Dschungel in ein Nachbardorf gegangen bin. Aber auf einmal merkte ich, wie alle Angst von mir abfiel und mich eine große Ruhe und Gelassenheit umhüllte. Ich wusste, dass das, was ich tat, der Wille Gottes war und dass es gut war, egal was passieren würde. Das war für mich eine ganz starke Erfahrung der Gegenwart Gottes. Ich glaube, du, Paulus, hast eine ähnliche Erfahrung gemacht, wenn du sagst, dass weder Bedrängnis noch Not oder Verfolgung, weder Hunger noch Kälte, Gefahr oder Schwert, weder Tod noch Leben, ja gar nichts uns trennen kann von der Liebe Gottes. Diese Erfahrung trägt mich durch das Leben und gibt mir Mut, mich wieder einzusetzen, auch in schwierigen Situationen. Es ist gut zu wissen, dass mir alles genommen werden kann, selbst das Leben, aber nicht die Erfahrung, von Gott geliebt und getragen zu sein.
Danke! Deine Pia
Briefe an Paulus
Mag. Pia Schildmair ist Pastoralassistentin in Schwechat und leitet das Sozialzentrum der Pfarre, in dem Flüchtlinge betreut werden. Drei Jahre war sie als Comboni-Laienmissionarin in der Gefängnispastoral in Brasilien tätig.