Unter freiem Himmel – Glaubenswege und Gottesnähe (4)
Ausgabe: 2009/39, Pochen des Herzens, Glaubenswege, Gottesnähe, Gasperi, Glaube, Spiritualitä
23.09.2009
- Mag. Klaus Gasperi
Seht, ich stelle meinen Bogen in die Wolken. Ich schließe meinen Bund mit euch und mit allen Tieren. Wenn der Bogen in den Wolken erscheint, werde ich des Bundes gedenken, der ewig gilt.“ (Gen 9, 9). Mit diesen Worten setzt Gott nach der großen Flut ein Segenszeichen an den Himmel, die leuchtende Brücke des Regenbogens, die Noah und allem Lebendigen bis zu uns herauf den göttlichen Beistand verspricht.
Brücke zur Welt. So wie am Firmament der Regenbogen Himmel und Erde verbindet, ist es in der Sprache unseres Körpers das pochende Herz, welches mit seinem unermüdlichen Schlagen Signale aussendet und Beziehungen aufnimmt. In diesem Schlagen findet die Welt ihr tiefstes Echo. Die Dichterin Rose Ausländer sagt: Ich höre das Herz des Himmels pochen in meinem Herz Dieser Satz hat keinen Punkt, denn er soll offen bleiben, damit die Welt nie zu Ende kommt in unserem Herzen, sondern immer weitertönt und nachhallt. Das Gedicht, welches den Titel „Mysterium“ trägt, erzählt von einem „Geheimnis“: Das Zentrum des Himmels wird darin verbunden mit der innersten Mitte des Menschen – nur durch das unaufhörliche Pumpern des Herzens, jener rhythmisch wiederkehrenden, doch stets bedrohten Bewegung. Kein dauerhaftes Ewiges, sondern ein stets flüchtiges Gefährdetes und nur Vorübergehendes ist dieses pochende Herz. Es kehrt wieder, aber wie lange noch? Und wie oft noch, so ganz von selbst?
Einsamer Widerhall. Mehr gibt es nicht an Sicherheit und Beständigkeit als diesen kleinen Moment des Jetzt, der Geborgenheit stiftet, uns aber auch mit jedem Schlag zu wandernden Pilgern macht. Nichts anderes sonst, was uns mit der Welt verbindet; nichts, was uns Heimat ermöglicht. Wenn der Jakobspilger nach langem Wandern in Santiago ankommt, hallt sein Herz wider von den vielen Herzschlägen, die ihn hierher getragen haben. Am Eingang zur berühmten Kathedrale trifft er auf den Portico de la Gloria des Meister Mateus. Dieser zeigt ihm das Wiederkommen Christi am „Ende der Zeiten“. Während frühere Zeiten etwas dramatisch vom Jüngsten Gericht sprachen, sehen Theologen heute darin mehr die Allversöhnung, bei der die Welt neu geschaffen und das Zerbrochene wiederhergestellt wird. Sagt doch schon der Prophet Jesaja über den Messias: „Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, den glimmenden Docht löscht er nicht aus.“ (Jes 42,3).
Geborgen in der großen Versöhnung. Hier nun am Portal von Santiago findet die Unrast des Weges ihr Ziel. Und gleich, wann die Pilgerin (der Pilger) ankommt, sie kommt immer zur rechten Zeit. Denn die Darstellung, die für ihre „heitere Ruhe“ gerühmt wird, zeigt: Die Musikanten schwätzen noch miteinander, sie nehmen gerade erst die Instrumente zur Hand und stimmen sich ein auf den ersten Fanfarenstoß. Der Künstler scheint den Pilgern sagen zu wollen: All das Gedränge der Menschen in den Evangelien, um einen Zipfel von Jesus zu erwischen, ist nun vorbei, denn er ist ja da und geht nicht mehr weg. Unsere Pilgerin kann nun aufatmen und die Kirche in froher Gelassenheit betreten.
Die Welt und die Weite. Die Kirche, jenes große Schiff, Sinnbild für unsere Reise zwischen Himmel und Erde. In ihrem Bauch hören wir die großen Klänge der Welt und die Weite der Sphären: sich vorbereiten, sich darauf einstellen. Und dann dem großen Mysterium des Lebens entgegengehen mit einem lauschenden Herzen: Ich höre das Herz des Himmels pochen in meinem Herz
Mag. Klaus Gasperi studierte Theologie und Germanistik. Er ist als Lektor, Buchautor und Begleiter von Pilgergruppen am Jakobsweg und am Franziskusweg tätig.