Zur Bischofssynode: die Kirchen im „Nahen Osten“ – LibanonSerie: Teil 4 von 5, mit Dr. Dietmar Winkler
Ausgabe: 2010/42
20.10.2010
Der Libanon ist ein Eckpfeiler des Christentums im Nahen Osten. Das ehemals beispielhafte Zusammenleben von Muslimen, Drusen und Christen ist seit dem Bürgerkrieg allerdings empfindlich gestört.
Flott klettert P. Paul vor mir die Wendeltreppe hinauf. Die Stufen werden schmäler und steiler. Außer Atem komme ich oben an, wo der maronitische Mönch auf die sich uns bietende einmalig schöne Aussicht deutet. Wunderbar im Abendlicht liegen vor uns die Mittelmeerküste, hinter uns die Berge des Libanon und auf uns blickt die riesige Statue der „Notre Dame du Liban“ (Unsere Liebe Frau vom Libanon) herab. Wir sind in Harissa, einer der wichtigsten Pilgerstätten des Orients.
Kirchen-Vielfalt. „Gleich da hinten ist die Basilika St. Paul der melkitisch-katholischen Kirche, erklärt P. Paul. „Und dahinter im Dunst siehst du Beirut. Auf dem Weg dahin kommst du in Antelias vorbei, dem Sitz des armenisch-orthodoxen Katholikos. Wenn du den Berg hinter uns weiter hinauffährst, erreichst du bald das alte syrisch-katholische Kloster Sharfeh, ganz oben ist dann das armenisch-katholische Patriarchat.“ Wir wenden uns wieder nach links und sehen das in der Nähe liegende Kloster Bkerke, den Sitz des maronitischen Patriarchen. Gleich darunter liegt Jounieh mit der großen maronitischen Universität Kaslik, wo P. Paul Professor für systematische Theologie ist.
Einmalig. Der Libanon, das biblische Land der Zedern, ist der kleinste Staat des Nahen Ostens und hat zugleich eine erstaunliche religiöse Vielfalt. Es war lange das Musterland für das Miteinander von Christen, Drusen und Muslimen. Der Bürgerkrieg (1975–91) und Einflüsse von außen, zumeist von Syrien, Israel und Iran, zerstörten das Gefüge. Dennoch sind der hohe christliche Bevölkerungsanteil und die daraus resultierende Stellung in der Gesellschaft einzigartig für die Christen im Orient. Der Staatspräsident ist immer ein maronitischer Christ, der Ministerpräsident muslimischer Sunnit und der Präsident des Parlaments Schiit. Nichtsdestoweniger bedeuten 40% Christen im Libanon nur 1,5 Millionen Christen in absoluten Zahlen. Hier kann man eine lebendige Kirche in Pastoral, sozialen Einrichtungen, Bildung und Wissenschaft erfahren. Die bedeutendste Kirche bilden die Maroniten, deren Oberhaupt der 90-jährige Patriarch Kardinal Nasrallah Sfeir ist.
Abwanderung. Die Maroniten gehen auf eine Mönchsgemeinschaft des 5. Jahrhunderts in Syrien zurück, die sich am Einsiedler Mar Maron orientierte. Wegen der persischen und arabischen Invasionen im 6. und 7. Jh. flohen die Maroniten in das unwegsame Bergland des Libanon. Da in dieser Zeit der Sitz des Patriarchen von Antiochien, zu dem die Gemeinschaft gehörte, mehrmals vakant blieb, wählten sie ein eigenes Oberhaupt. Seither gibt es ein eigenes maronitisches Patriarchat von Antiochien, das während der Kreuzzüge Verbindung mit der westlichen Kirche aufnahm. Sie ist die einzige Kirche des Orients, die vollständig in Gemeinschaft mit Rom steht und keinen eigenen orthodoxen Zweig hat.Allerdings teilt auch sie die gleichen Sorgen mit den anderen Christen des Libanon. Dies ist vor allem die Abwanderung der gebildeten jungen Generation aus wirtschaftlichen Gründen. Zwischen 1990 und 2000 sollen an die 250.000 Libanesen, Christen wie Mus-lime, ihr Land verlassen haben, weil der Arbeitsmarkt zu wenige Chancen bietet. Allerdings hat sich der Libanon seit dem Bürgerkrieg wieder beständig aufwärts entwickelt.
Katholische Ostkirchen
Bei der Nahostsynode in Rom sind neben der (lateinischen) römisch-katholischen Kirche vor allem die „katholischen Ostkirchen“ vertreten. Damit sind jene Kirchen bezeichnet, welche in voller Gemeinschaft mit Rom stehen, jedoch ihre eigene ostkirchliche Tradition haben.Einem Kirchenverständnis folgend, das die Einheit der Kirche als Einheit unter dem Bischof von Rom definierte, hat die römisch-katholische Kirche auch bei den Ostkirchen Mission betrieben. Jedoch entspricht die Unterwerfung unter einen einzigen Patriarchen (Papst) nicht dem Kirchenverständnis der frühen Kirche, das sich in den Ostkirchen bis heute bewahrt hat. So führten diese Unionsversuche zumeist zu neuen Spaltungen anstatt zur ersehnten einen Kirche Christi. Fast aus allen Ostkirchen sind Teile herausgebrochen und mit Rom vereinigt. Im Orient gibt es solcherart sieben katholische Kirchen: die maronitische, chaldäische, syrisch-katholische, koptisch-katholische, armenisch-katholische und griechisch-katholisch-melkitische Kirche sowie das lateinische Patriarchat von Jerusalem.