Schnee um das Kloster und Tauwetter in den ökumenischen Gesprächen. In den syrischen Bergen ist Patriarch Mar Ignatius zu Hause. Er ist das Oberhaupt jener Kirche, in der noch die Sprache Jesu verwendet wird.
Kaum zu glauben. Man ist in Syrien, blickt aus dem Fenster des Ephräm-Klosters und weit und breit ist alles mit Schnee bedeckt. Die Zimmer sind auf diesen Wintereinfall nicht vorbereitet. Der Schnee drang in der Nacht durch das undichte Fenster und schmolz. Ein kleines Bächlein rinnt die Wand hinunter und bahnt sich seinen Weg unter meinem Bett.
Orientalische Kirchenfamilie. Seit 2004 trifft sich die offizielle Kommission für den theologischen Dialog zwischen der römisch-katholischen Kirche und den orientalisch-orthodoxen Kirchen jährlich im Jänner. Diesmal sind wir zu Gast im Kloster des syrisch-orthodoxen Patriarchats in Marrad Sednaya (Syrien). Während in Damaskus die Palmen in der Sonne wehen, ist es hier bitterkalt.Mit den Kopten, Armeniern, Äthiopiern und indischen Malankaren gehört die syrisch-orthodoxe Kirche der Familie der orientalisch-orthodoxen Kirchen an. Sie konnten die Weise, wie das Konzil von Chalzedon (451) den Christusglauben ausdrückt, nicht annehmen, weil sie damit den rechten Glauben verraten sahen. Es ging dabei um die Frage, wie es zu verstehen ist, dass Christus als wahrer Gott gleichzeitig voll Mensch sein konnte. Dieses christologische Problem ist mittlerweile gelöst, nicht zuletzt durch die Vorarbeit der Stiftung „Pro Oriente“ in Wien. Aber nun stehen zwischen uns Fragen, die in der 1500 Jahre langen Geschichte der Trennung aufgekommen sind: Welche Konzile gilt es anzuerkennen? Wie soll eine kirchliche Einheit aussehen? Welche Rolle spielen Papst und Patriarchen? In Syrien diskutieren wir den ersten Entwurf eines gemeinsamen Dokuments zum Kirchenverständnis. Wir sind in den vergangenen Jahren ein erhebliches Stück weitergekommen.
Sprache Jesu. Die syrisch-orthodoxe Kirche heißt übrigens nicht so, weil der Patriarch heute seinen Sitz in Syrien hat. Syrisch ist ein Dialekt des Aramäischen, der Sprache Jesu. In diesen Dialekt wurde bereits im 2. Jh. die Bibel übersetzt. Die syro-aramäische Tradition stellt neben der lateinischen und der griechischen einen der wichtigsten Zweige des Christentums dar. Ihre Kirchenväter haben ein besonderes Gespür entwickelt, den Glauben in Poesie auszudrücken. Der wohl berühmteste Dichter-Theologe ist Ephräm der Syrer.
Stationen. Der historische Sitz des syrisch-orthodoxen Patriarchen ist Antiochien (heute Antakya/Türkei). Das alte Patriarchat von Antiochien wurde durch die Wirren nach dem Konzil von Chalzedon in einen syro-aramäischen und einen mehrheitlich griechischen Teil gespalten. Durch die Jahrhunderte hindurch musste das syrisch-orthodoxe Patriarchat mehrfach verlegt werden, unter anderem in den Tur Abdin in die Südosttürkei. Der jetzige Patriarch, Mar Ignatius Zakka Iwas, errichtete einen neuen Sitz in Marrad Sednaya, eine Autostunde von Damaskus entfernt.
Eine Brücke gibt es schon. Mar Ignatius I. ist ein ökumenisch ausgerichteter Mann. 1984 unterzeichneten er und Papst Johannes Paul II. eine gemeinsame Erklärung, die es unter anderem möglich macht, dass sich die römisch-katholische und syrisch-orthodoxe Kirche in pastoralen Notsituationen gegenseitig unterstützen. Dies betrifft auch die Sakramentenspendung. So ist es einem Syrisch-Orthodoxen, der keinen Zugang zu einem seiner Priester hat, möglich, die Eucharistie in der katholischen Kirche zu empfangen. Und natürlich auch umgekehrt. Eines der Ziele der katholischen Experten in der offiziellen Dialoggruppe ist es, ein solches Übereinkommen auch mit den anderen orientalisch-orthodoxen Kirchen erreichen zu können.
Die Kirchen in Syrien
In Syrien sind die Christen nicht benachteiligt. Sie haben aber auch kaum öffentlichen und politischen Einfluss. Die autoritäre Regierung unter Bashar al-Assad und vor allem zuvor unter seinem Vater Anwar al-Assad hat für eine stabile und sichere Lage gesorgt, auch wenn diese durch den ungelösten Konflikt mit Israel (Golan) geprägt ist. Dennoch können sich die Kirchen in ihrem Bereich entfalten. Der Präsident betonte wiederholt die Wichtigkeit der Christen, die knapp 10 Prozent im Land ausmachen. Von diesen ca. 1,6 Millionen ist die Mehrheit mit 47 Prozent dem griechisch-orthodoxen Patriarchat von Antiochien zugehörig. Syrisch-Orthodoxe, Griechisch-Katholische (Melkitische) und Armenisch-Orthodoxe machen jeweils ca. 15% aus. Kleinere Gemeinden bilden die Maroniten, Syrisch-Katholische und Armenisch-Katholische. Die Christen konzentrieren sich vor allem auf die großen Städte und ihre Umgebung: Damaskus, Aleppo, Homs, Hassake und das Gebiet der Jesireh jenseits des Euphrat.