Dem Wunder der Menschwerdung Gottes leise Herz und Hand hinhalten
Ausgabe: 2010/51, Glaube, Wunder, Menschwerdung, Simma, Kinder, Menschen
22.12.2010
Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten.
Hilde Domin, eine jüdische Dichterin, die viele Jahre auf der Flucht vor den Nazis leben musste, hat diesen berührenden Text geschrieben. In Anlehnung daran möchte ich weiterführen: „Gott, ich will diesem Wunder leise die Hand und das Herz hinhalten, dass du, der Unbegreifbare, dich als Mensch angreifen, berühren lässt. Du machst dich verletzlich und schwach, um so zu sein wie wir. Du wartest sogar wie ein Kind auf unsere Liebe und Zuwendung!“Wir können jetzt sagen: Gott ist ein „herunter gekommener“ Gott, im doppelten Sinn des Wortes: Entgegen der Vorstellung vieler thront er nicht hoch oben, sondern er begegnet uns auf unserer Ebene als Gott-mit-uns. Er lässt sich „unten“ finden, in den Ställen des Lebens und Nächten des Herzens. Er ist wirklich der ganz „Andere“, anders als wir es uns je selbst ausdenken könnten.
Eingefleischt Mensch. „Ich will auch dem Wunder leise das Herz hinhalten, dass du ein eingefleischter Mensch bist.“ „Und das Wort ist Fleisch geworden“, schreibt Johannes. (Joh 1, 14) Wir sagen manchmal, dass jemand ein eingefleischter Sportler, Musiker oder sonst etwas ist, und meinen damit, dass er oder sie mit Leib und Seele sich für eine Sache interessiert oder diese mit ganzem Herzen ausübt. Gottes Sehnsucht und Leidenschaft ist der Mensch. Deshalb wird er einer von uns. Wir gehören jetzt untrennbar zusammen. Wer von Gott spricht, spricht damit auch vom Menschen und umgekehrt.
In unserer Haut. „Ich will dem Wunder leise das Herz hinhalten, dass du, Gott, nun in unserer Haut steckst.“ Wir sagen manchmal: „Der oder die ist eine arme Haut!“ oder: „In seiner, in ihrer Haut möchte ich nicht sein!“ Aber Gott erklärt: „Du Mensch, von jetzt an bin ich hautnah bei dir, verletzlich und berührbar. Ich schlüpfe sozusagen in deine Haut und teile jetzt die Hoch- und Tiefzeiten deines Lebens, weine deine Tränen mit, durchleide deine Ängste und deine Einsamkeit, sterbe auch deine Tode!“
In Liebe – Gott. „Ich will dem Wunder leise das Herz hinhalten, dass du, Gott, dich in Jesus endgültig ausgesprochen hast. Du hast uns dein letztes, tiefstes, schönstes Wort gesagt: Ich liebe dich, du Welt und du Mensch. Ich bin da und bleibe bei dir!“ Wir können wirklich nur staunen über diese Liebeserklärung Gottes. Wenn wir sie im Innersten annähmen und glaubten, dürften wir doch keine abgrundtiefe Angst mehr haben. 366-mal steht in der Hl. Schrift „Fürchte dich nicht!“ oder „Fürchtet euch nicht!“Für jeden Tag des Jahres und das Schaltjahr noch dazu spricht uns Gott jeden Morgen neu diese Ermutigung zu.
Hineingelegter Gott. „Ich will dem Wunder leise das Herz hinhalten, dass du, Gott, dich hast hineinlegen lassen – in die Krippe, das Stroh, den Stall, wo die Tiere ihren Mist machen, und damit in alles, was in unserem Leben nicht gut und sauber ist.“Verstehen wir diese Botschaft? In ihrer ganzen Tragweite? Und weil Gott bei seinem Ja zu uns bleibt, sind wir nicht mehr die „Hineingelegten“, im Gegenteil: Nichts kann uns von seiner Liebe trennen. (vgl. Röm 8, 35–39) Es ist wirklich ein Wunder!
Warum gerade am 25. Dezember
Wir wissen nicht, wann Jesus wirklich geboren wurde. Die Römer feierten nach dem alten julianischen Kalender am 25. Dezember die Wintersonnenwende und damit auch das Fest des unbesiegbaren Sonnengottes. Für die Christen war immer schon Jesus das Licht der Welt. Deshalb feierten sie in der dunkelsten Zeit des Jahres seine Geburt. Der älteste Bericht davon stammt aus dem Jahr 354. Alle Kerzen auf dem Adventkranz und auf dem Christbaum weisen nicht nur auf Jesus hin, von dem wir sagen „Es ist hell, weil du da bist!“, sondern sie erinnern uns daran, dass wir selbst Lichter sein sollen. Durch alle Zeichen der Liebe erhellen wir die Welt. Wenigstens zu Weihnachten spüren wir, was eigentlich richtig und gut wäre und dem Traum Gottes entsprechen würde. Haben Sie es schon probiert, was auch schon eine einzige Kerze ausmacht, verändert?