Ein Hobby im Alter. Das ist eine gute Sache. Johann Huemer aus Vorchdorf baut aus Dingen, die andere Leute weggeworfen haben, Modelle von Maschinen. Und er hat aus seinem Beruf auf originelle Weise Abschied genommen, indem er all die Geräte nachgebaut hat, mit denen er früher gearbeitet hat.
Ausgabe: 2017/05
31.01.2017 - Matthäus Fellinger
Was Liebe zu den Gütern der Erde bedeutet: von Johann Huemer kann man es lernen. „Er ist unten in seinem Paradies“, sagt seine Frau Rosa, als es den Besuch zu vereinbaren gilt. Dort ist er fast jeden Tag anzutreffen, vom Frühstück bis Mittag, am Nachmittag wieder.
In der Werkstatt
So groß ist das Paradies auch wieder nicht, denke ich. Ich betrete eine alte Werkstatt. Sein Vater, der Rechenmacher Johann Huemer, hat sie vor gut 80 Jahren eingerichtet. Es ist alles noch da. Sogar die Maschinen hat der Vater selbst gebaut, die Bandsäge, die Bohrmaschine. Die war damals schon alt, der Vater hat sie hergerichtet – und sie läuft heute noch.
Mehr als Spielzeug
Langsam hebt Johann Huemer die Tücher auf den Tischen empor. Zum Vorschein kommt eine ganze Galerie von Traktoren. Das ist mehr als Spielzeug. Jedes einzelne Stück „funktioniert“. Man dreht an der Kurbel – und der Motor springt an. Das Mähwerk bewegt sich wie echt, die Hydraulik hebt und senkt sich, wie man will. Selbst die Motorgeräusche der Modelle hören sich echt an. Aus alten Uhrwerken hat er den Mechanismus konstruiert. Man spürt, hier ist ein Meister am Werk. Außer Schrauben und Lacke kauft Huemer nichts für die Modelle. Alles ist fein gedrechselt, gesägt und geschnitzt oder mit der kleinen Flex aus Metall geschnitten. Die hatte auch schon einmal jemand entsorgt. Huemer sammelt, was andere weggeworfen haben. Das Holz ist Abfall- oder Brennholz. Huemer liebt es, mit den Farben von Hölzern zu spielen: dem Gelb des Essigbaumes, dem Dunkel der Nuss, dem Hell der Linde. Schiebeleisten aus einem Backrohr, Motoren aus alten Plattenspielern, alles findet Verwendung. Die runden Scherköpfe eines Rasierapparates geben prächtige Zierkappen, Holzstiele vom Eis verwendet er als Speichen oder für die Sitzbank auf dem Traktor-Kotflügel. Traktoren aller Typen, wie es sie seit den Zwanzigerjahren wirklich gegeben hat, sieht man hier, auch einen mit drei Rädern. Eigentlich hat man schon viel gesehen. Aber Huemer öffnet die Tür in einen weiteren Raum. Das Paradies ist doch größer. Der Landwirtschaft ist diese Abteilung gewidmet, vor allem der Ernte. All die Geräte, die es zu verschiedenen Zeiten gab, von den Dreschflegeln bis zum Mähdrescher, sind aufgebaut. Alles dreht und bewegt sich, aus den Gebläsen kommt Wind. Und am Ende: Da tanzt man zur Ernte.
Auf der Autobahn
Hilfsarbeiter bin ich gewesen, erzählt der Siebzigjährige, und zwar auf der Autobahn. Die führt hier an Vorchdorf vorbei. Johann öffnet die nächste Tür. Da stehen sie: all die Fahrzeuge und Maschinen, die er in seiner jahrzehntelangen Arbeit bei der Autobahnmeisterei erlebt hat. Aus dem Müll hat er sie gebaut, den sie damals an den Raststätten eingesammelt haben. Rund 150 Einzelstücke werden es sein. Hinter jedem steckt mindestens eine Arbeitswoche. Faszinierend, wie jedes Gerät die wesentlichen Abläufe auch ausführt.
Dankbar für das Leben
Der Beruf auf der Straße war eine gefährliche Sache. „Drei Mal bin ich um mein Leben gerannt“, erzählt Huemer. Vier Kollegen hat er auf der Autobahn verloren. So ist er heute dankbar. Jeden Sonntag in der Kirche gehen ihm die Gedanken durch den Kopf. Die Zeit in der Kirche ist auch eine gute Zeit für Einfälle. Da kommen die Ideen, wie etwas zu machen wäre. „Es gibt nichts, was nicht geht“, meint er.
Nach dem Krebs
Vor sieben Jahren erkrankte Johann an Krebs. Es stand nicht gut um ihn. Er zeigt den Mähdrescher, den er dann wieder gebaut hat. Langsam, sehr langsam ging es. Sechs Wochen hat er gebraucht. „Das alles hier, das mache ich aus Freude“, blickt Johann in sein Paradies. Er freut sich noch mehr, wenn sich jemand für seine Werke interessiert. Kleine Gruppen kommen manchmal. Große Gruppen hätten nicht Platz. Vor allem ältere Leute aus der Landwirtschaft erinnern sich dann an ihre Jugendzeit. Ihnen zuhören, wenn sie Erinnerungen auffrischen – das hat Johann gern. Das Paradies hat noch weitere Stationen. Den Raum für die Holzarbeit und die Maschinen, die man dazu braucht. Dem Holzfäller kann man bei der Arbeit zusehen oder sich den Sägewerkbetrieb vorführen lassen. Man fühlt sich hier, als wäre man in mehreren Museen gleichzeitig gewesen. Rosa Huemer hat Kaffee gekocht. Es ist nicht so einfach, wenn der Mann so wenig in der Wohnung zu sehen ist, dachte sie manchmal. „Aber da weißt du wenigstens, wo er ist“, sagten ihr andere Frauen. Sie nimmt es, wie es ist. Sie hat ja auch selber etwas, was sie sehr gerne macht: Seit 15 Jahren ist Rosa SelbA-Trainerin. Zwei Gruppen betreut sie. „Ich hab ja selbst so viel davon“, erzählt sie. Als Johann nach seiner schweren Krankheit zunächst in der Küche zu basteln begann, meinte sie: „Vielleicht ist es doch besser, wenn du wieder in deine Werkstatt gehst.“ Und dass auch die Kinder – drei Söhne und eine Tochter haben sie – diese Kostbarkeiten schätzen, das freut Johann besonders. Ich verlasse ein Haus, in dem man viel Ruhe, aber keine Spur Langeweile erlebt.