In einer ausführlichen Stellungnahme befasst sich der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück mit den Anliegen der Pfarrer-Initiative. Er tritt für einen runden Tisch ein, an dem Vertreter der Bischofskonferenz, der Pfarrer-Initiative, der Pastoral und der Theologie die einzelnen Fragen besprechen.
Jan-Heiner Tück sieht die Forderungen, die von der Pfarrer-Initiative bzw. im Theologen-Memorandum vom Frühjahr angesprochen wurden, als Teil des laufenden Reform-Diskurses innerhalb der katholischen Kirche. Es gehe dabei darum, wie die „dialogische Öffnung zur Moderne“, die durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) seinen Anfang genommen hat, gestaltet werden soll.
Wiederverheiratete. Zur Frage des Zugangs wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion unterstreicht Tück zunächst, dass die Eucharistie als „Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens“ nicht mit einem „sozialen Event“ zu verwechseln sei, „an dem jeder, der kommt, nach Belieben teilnehmen kann“. Dennoch bedürfe es eines neuen „pastoral sensiblen Umgangs“ mit der wachsenden Zahl wiederverheirateter Geschiedener. Die Sorge des kirchlichen Lehramtes bestehe darin, durch eine zuvorkommende Zulassung dieser Gruppe zur Kommunion die „monogame Ehe als Zeichen der von Gott gewollten Gemeinschaft zwischen Mann und Frau“ in ihrer Unauflöslichkeit in Frage zu stellen. Unbeschadet dessen finden sich laut Tück jedoch bereits im Neuen Testament „Zugeständnisse von Ausnahmen“. Auf dieser Linie sollte man weiterdenken, zumal nicht nur die orthodoxen, sondern auch die mit Rom unierten Ostkirchen „eine weniger rigide Praxis kennen, ohne deshalb die Ehe als Zeichen der von Gott gewollten Gemeinschaft von Mann und Frau zu relativieren.“
Laienpredigt. Beim Thema „Laienpredigt“ weist Tück darauf hin, dass es in der aktuellen Debatte zu einer Engführung auf die Frage der Predigt im Rahmen von Eucharistiefeiern komme. Nur diese seien durch die römische „Instruktion über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester“ (1998) tatsächlich den Priestern vorbehalten. Allerdings räume das Kirchenrecht einem Ortsbischof in „pastoralen Notsituationen“ durchaus einen Handlungsspielraum ein, auch Laien mit dem Predigtdienst zu beauftragen, „wie es beispielsweise im Bistum Basel unter der Ägide von Bischof Kurt Koch (heute Präsident des Päpstlichen Einheitsrates) – in Absprache mit Rom – eingeführt worden ist“. Frauenweihe. Keinerlei „ortskirchlichen Spielraum“ gebe es hingegen bei der Weihe von Frauen. Da sprechen lehramtliche Dokumente, allen voran das Apostolische Schreiben „Ordinatio sacerdotialis“ (1994, Papst Johannes Paul II.) eine eindeutige Sprache. Darin heißt es, dass die Kirche „in keiner Weise die Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden“ und dies „definitiv festzuhalten“ sei. Diese Position müsste allerdings besser als bisher argumentiert werden, meint Tück. Eine Änderung könnte allenfalls nur durch die höchste kirchliche Lehrautorität (Papst bzw. Konzil) erfolgen. Ungeachtet dessen könnte die Frauenordination zu einer Zerreißprobe innerhalb der Kirche (siehe Anglikaner) und im Verhältnis zu den Ostkirchen führen.
Zölibat. Für ein weiteres Nachdenken, „wie der Zölibat unter den gewandelten Bedingungen der gesellschaftlichen Gegenwart glaubwürdig gelebt werden kann“, tritt Tück bei der Frage der Zulassungsbedingungen für das Priesteramt ein. Auch hier lägen zwar eindeutige lehramtliche Dokumente vor, doch gebe es Argumente, die für eine „behutsame Lockerung“ der Regeln und eine Öffnung des Priesteramtes für „viri probati“ (bewährte Männer) sprechen – sei es der Verweis auf die Praxis der mit Rom unierten Ostkirchen, wo nur Bischöfe und Ordensleute an den Zölibat gebunden sind, oder der Verweis auf den nicht-dogmatischen Charakter des Zölibats. (KAP/H. B.)
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Zollitsch: Warum geht es nicht schneller?
In der durch den „Aufruf zum Ungehorsam“ angeheizten Kirchendebatte appellierte der Grazer Diözesanbischof Egon Kapellari in einem ORF-Interview an die Pfarrer-Initiative, „vom Gashebel herunterzusteigen“. Der Dekan der Theologischen Fakultät Innsbruck, Jozef Niewiadomski, rief die Pfarrer-Initiative auf, „das Schlagwort des Ungehorsams aus der Diskussion zu nehmen und damit auf den Nimbus der Rebellen zu verzichten, um so die medial verfestigte Frontenstellung aufzubrechen“. Ähnlich wie sein Wiener Dogmatik-Kollege Jan-Heiner Tück empfiehlt auch Niewiadomski, der der Initiative „als Aufschrei“ auch Positives abgewinnen kann, ein „Aufschnüren des Forderungspaketes“. Ohne sich von medialem Druck treiben zu lassen, solle dabei gemeinsam eine Prioritätenliste erstellt werden, bei der jenes Thema an die Spitze gehöre, „das subjektiv den meisten Katholiken viel Leid zufügt: der kirchliche Blick auf die Geschiedenen“.
Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erz-bischof Robert Zollitsch, drängt auf Reformen der katholischen Kirche im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Die Kirche müsse sich mehr damit auseinandersetzen, wie sie mit Menschen umgehe, deren Leben in wichtigen Dingen unglücklich verlaufen ist. „Das ist eine Frage der Barmherzigkeit, und darüber müssen wir intensiv sprechen.“ Er hoffe, so Zollitsch, dass sich Fortschritte in dieser Frage „noch zu meinen Lebzeiten“ ergeben. Zum Reformtempo in der Kirche meinte er: „Auch ich laufe manchmal Gefahr, müde zu werden, und denke: Warum geht es nicht schneller?“ Zollitschs Vorgänger in Freiburg, Oskar Saier, war 1993 bei einem gemeinsamen Vorstoß mit den Bischöfen Walter Kasper und Karl Lehmann zur Geschiedenenpastoral in Rom gescheitert.