Serie "50 Jahre II. Vatikanisches Konzil", Teil 5 von 7
Das Konzil hat die „ökumenische Bewegung“ nicht erfunden. Aber es hat sie grundlegend neu bewertet und in ihr einen Fingerzeig Gottes gesehen. Die Gläubigen anderer Kirchen werden als getrennte „Schwestern und Brüder“ bezeichnet.
Am Ökumenismusdekret „Unitatis redinte-gratio“ wurde – unter der Verantwortung des damals neu geschaffenen Sekretariats für die Einheit der Christen – zwischen 1962 und 1964 gearbeitet. Ursprünglich sollte das Dokument mehr enthalten als „nur“ das Thema der innerchristlichen Ökumene. Aus dem Entwurf wurden aber die beiden letzten Kapitel über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen und über die Religionsfreiheit abgetrennt und zu eigenen Dokumenten ausgearbeitet. Das Ökumenismusdekret ist in drei Kapitel gegliedert: Nach einem Vorwort handelt Kapitel I von den Grundsätzen der katholischen Kirche bei der Suche nach der Einheit; Kapitel II widmet sich der praktischen Verwirklichung des Ökumenismus, und Kapitel III gibt einen ausgewogenen und wertschätzenden Überblick über die getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften – also über die orthodoxen Kirchen, die Gemeinschaften, die aus der Reformation hervorgegangen sind, und über die Übereinstimmungen und Unterschiede in der Lehre. Die ökumenische Bewegung. Die vielfältigen Spaltungen in der Christenheit haben durch die Jahrhunderte zu theologischen, aber auch zu blutigen Auseinandersetzungen geführt. Das wurde zunehmend als ein wirk- licher Skandal empfunden. Die Erfahrung, dass die Kirchenspaltung die Glaubwürdigkeit der Kirche und damit die Möglichkeit der Weitergabe des Glaubens behindert, führte am Beginn des 20. Jahrhunderts innerhalb des Protestantismus zu Bemühungen, die 1948 in Amsterdam in die Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) gemündet haben. 1961 wurde bei der Vollversammlung in Neu-Delhi das Selbstverständnis des Ökumenischen Rates der Kirchen theologisch so formuliert: „Der Ökumenische Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Katholischer Aufbruch. Die katholische Kirche stand den ökumenischen Bestrebungen anfangs abweisend gegenüber. Man konnte sich die Gewinnung der sichtbaren Einheit nur in Form der Rückkehr aller getrennten Christen vorstellen („Rückkehr-Ökumene“). So hat auch Papst Pius XI. in seiner Enzyklika „Mortalium animos“ (1928) die ökumenische Bewegung als einen Irrtum bezeichnet und Katholiken jede Mitarbeit verboten. Erst im unmittelbaren Vorfeld des Konzils waren 1961 bei der Vollversammlung des ÖRK in Neu-Delhi zum ersten Mal fünf katholische Beobachter anwesend. Als Folge des Konzils und des Ökumenismusdekretes wurde 1965 vom Ökumenischen Rat und der römisch-katholischen Kirche eine gemeinsame Arbeitsgruppe errichtet, welche die weitere Zusammenarbeit beraten und in die Wege leiten sollte. 1969 hat Papst Paul VI. dem Ökumenischen Rat in Genf einen offiziellen Besuch abgestattet. Zurzeit ist es so, dass auf regionaler Ebene (zum Beispiel in Österreich) die römisch-katholische Kirche im Ökumenischen Rat Mitglied ist, auf Weltebene aber – trotz vielseitiger Zusammenarbeit – nicht.
Das Zitat
Die Lehre des Konzils über das Verhältnis zu den nichtkatholischen Kirchen ist in der Kirchenkonstitution Lumen gentium, im Ökumenismusdekret und im Dekret über die katholischen Ostkirchen enthalten. Sie müssen zusammen gesehen werden.
Die Einheit aller Christen wieder herstellen zu helfen, ist eine der Hauptaufgaben des Heiligen Ökumenischen Zweiten Vatikanischens Konzils … Die Spaltung (der Christen) widerspricht ganz offenbar dem Willen Christi, sie ist ein Ärgernis für die Welt und ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums. UR 1
Die Sorge um die Wiederherstellung der Einheit ist Sache der ganzen Kirche, sowohl der Gläubigen wie auch der Hirten, und geht einen jeden an, je nach seiner Fähigkeit, sowohl in seinem täglichen christlichen Leben wie auch bei theologischen und historischen Untersuchungen. UR 5