„Ohne Geld zu leben, ist eine ständige Provokation“
Auf seinen Pilgerreisen schlug sich P. Fritz Wenigwieser tausende Kilometer zu Fuß ohne einen Cent in der Tasche durch. Wer (fast) ohne Geld leben will, muss das Sicherheitsdenken komplett aufgeben, weiß er. So wie auch die Deutsche Heidemarie Schwermer, die in Sachen Geldverzicht missioniert.
Möglichst ohne Geld leben und auf die Vorsehung vertrauen. Dieses Konzept hat Franziskanerpater Fritz Wenigwieser als junger Ordensmann in Assisi kennen gelernt. Das Shalom-Kloster Pupping hat er nach diesem Vorbild 1998 neu gegründet, bis heute lebt die kleine Franziskanergemeinschaft vorwiegend von Spenden. Beim Sparen hilft, dass P. Fritz und die anderen Klosterbewohner/innen handwerklich sehr geschickt sind. Viele Arbeiten können sie selbst erledigen. Wer will, kann bei den Franziskanern in Pupping mitleben. Jeder ist „eingeladen“ mitzuarbeiten, Geld gibt es keines, dafür sind Unterbringung und Verpflegung gratis. Als Franziskaner arm zu leben, ist nicht selbstverständlich, erzählt Fritz Wenigwieser. Im Franziskanerorden sei das ein Spannungsfeld: „Viele Brüder wollen eher verbürgerlicht leben. Ich leide darunter, dass wir Franziskaner so sehr vom Sicherheitsdenken beeinflusst sind“, sagt er. Offen sein fürs Betteln. Wie sehr man mit Geldverzicht aneckt, hat Wenigwieser auf seinen Pilgerreisen erlebt. Tausende Kilometer machte er sich gemeinsam mit einem Mitbruder zu Fuß auf den Weg. „Bei einer Reise haben wir auch kein Geld angenommen. Ein Wanderer ist uns kilometerweise gefolgt und war dann ganz fertig, dass wir keinen Cent von ihm wollten.“ Die Kirche stehe dem Geldverzicht teilweise skeptisch gegenüber. „Ein Pfarrer in Spanien hat uns wieder weggeschickt, er wollte uns nicht vor seiner Kirche übernachten lassen. Lieber sollten wir sein Geld nehmen.“ Doch auch positive Erfahrungen hat Fritz Wenigwieser auf seinen Pilgerreisen gemacht: „Ein Glas Wasser und ein Stück Brot bekommt man eigentlich überall“. Das grundlegende am Betteln sei, dass man offen sein muss, findet der Franziskanerpater: „Das geht natürlich nicht ohne Kommunikation“. Verantwortung übernehmen. Fritz Wenigwieser ist sich bewusst, dass der Geldverzicht im Klosteralltag deutlich schwieriger ist als beim Pilgern. „Die Verantwortung für die Gemeinschaft ist größer. Ich bin kein Fundi, der glaubt, dass Geld des Teufels ist.“ Klarerweise nehme er Geld in die Hand, um die Fixkosten des Hauses zu decken, und seit er vor zwei Jahren auch Ökonom des Hauses wurde, besitzt er auch Bankomat- und Kreditkarte. Trotzdem ist es für ihn entscheidend, zeichenhaft und sehr bescheiden zu leben. Die Botschaft: „Das Leben soll nicht nur verzweckt sein.“ Er weiß, dass die Puppinger Gemeinschaft im Grunde ein Stück außerhalb der Gesellschaft steht. „Geldverzicht ist eine ständige Provokation. Zu sehr haben wir das Wirtschaftssystem verinnerlicht.“ Auch für Bischöfe oder Priester sei das zum Beispiel schwer, weiß er. „Es gibt viele Zwänge.“ Gib und nimm. Abseits von Ordensgemeinschaften, aber durchaus auch mit einem spirituellen Hintergrund lebt die Deutsche Heidemarie Schwermer bereits seit 16 Jahren ohne Geld und Besitz. Dabei fühlt sich die 70-Jährige nicht arm, im Gegenteil: Sie sei sorgenfrei, angstfrei und ungezwungen. Bereits 1994 gründete sie – unzufrieden mit dem bestehenden Wertesystem – den Verein „Gib und nimm“, organisiert nach dem System eines Tauschringes. Zwei Jahre später verschenkte sie ihren Besitz und wohnt seither bei Freunden oder hütet deren Häuser und Haustiere während ihrer Abwesenheit. Halt findet Heidemarie Schwermer in der Spiritualität, ohne dabei konkret konfessionell zu sein. „Wichtig ist, dass jeder einmal in sein Inneres schaut, welche Schatten sich da auftun. Was belastet unsere Seele? Was hindert uns daran, glücklich zu sein?“, fragt sie sich und ihre Zuhörer. Ihre Weltanschauung hat sie in drei Büchern niedergeschrieben, ihre Autorenlesungen führen sie quer durch Europa und finden regen Anklang. Die Einnahmen verschenkt sie, so wie auch ihre Rente als pensionierte Lehrerin, an „Menschen, die Geld brauchen oder darum bitten“.