Teil 3: „Teilen Sorgen, die hinter bestimmten Forderungen stehen“
„Sie meinen, dass wir österreichischen Bischöfe „Druck in Rom“ ausüben sollten, um eine Reform zu erwirken“ . Weg der Erneuerung gehe nur in voller Gemeinschaft mit dem Papst.
Wir wollen nicht verschweigen, was vielfach uns gegenüber und auch öffentlich gesagt wird: dass es eine weit verbreitete Unzufriedenheit mit der Situation der Kirche und besonders mit „der Kirchenleitung“, mit uns Bischöfen und mit Rom, gibt. Hinter dieser Unzufriedenheit stehen meist tiefe Sorgen um den Weg, um die Zukunft der Kirche. Papst Benedikt XVI. hat in seiner beeindruckenden Predigt in der Chrisammesse am Gründonnerstag, als er auf den „Aufruf zum Ungehorsam“ einer Priestergruppe in Österreich einging, gezeigt, wie sehr er um diese Sorgen und Anliegen weiß. Dennoch haben viele Menschen in unserem Land den Eindruck, „es geht nichts weiter“, es bewege sich nichts. So hat sich das Schlagwort vom „Reformstau“ festgesetzt. Andererseits haben wir Bischöfe seit über einem Jahr immer wieder deutlich gesagt, dass ein „Aufruf zum Ungehorsam“ nicht unwidersprochen hingenommen werden kann. Bleibt es bei einer Art „patt-Situation“, in der sich dann nur mehr Beschuldigungen gegenseitig aufschaukeln? Wir sehen das „Jahr des Glaubens“ als eine vom Herrn angebotene Chance, gemeinsam aus scheinbaren oder wirklichen Sackgassen herauszufinden.
Bischöfe teilen Sorgen
Die Sorgen, die hinter bestimmten „Reformforderungen“ stehen, sind uns gemeinsam. Viele bekümmert an erster Stelle der mangelnde Priesternachwuchs. In manchen Teilen unseres Landes wird der Priestermangel immer drückender spürbar. Weite Kreise unserer Bevölkerung, kirchlich gebunden oder nicht, verstehen nur schwer, warum zur Abhilfe dieser Notsituation nicht die Zulassungsbedingungen zum Priesteramt geändert werden, warum nicht verheiratete „bewährte Männer“ (viri probati) zu Priestern geweiht werden können. Sie meinen, dass wir österreichischen Bischöfe „Druck in Rom“ ausüben sollten, um eine Reform zu erwirken. Dabei wird aber meist übersehen, dass gerade das II. Vatikanische Konzil sich entschieden für die Beibehaltung des priesterlichen Zölibats für die römisch-katholische Kirche ausgesprochen hat, und dass alle Bischofssynoden seither immer wieder diesen Weg als für die Kirche gültig bestätigt haben. Darf darin nicht ein Zeichen des Heiligen Geistes gesehen werden?
Wir ermutigen daher dazu, den Zeichen nachzugehen, die Gott uns gibt, wenn etwa an manchen Orten, in manchen Gemeinden und Gemeinschaften die geistlichen Berufungen blühen. Ist es nicht sinnvoll, solche Beispiele näher anzusehen und zu fragen, was wir daraus lernen können? Wir sind überzeugt, dass Gott heute Priester beruft. Die Frage ist nur, ob der Humus da ist und gepflegt wird, auf dem diese Berufungen wachsen können.
Priestermangel, Gläubigenschwund
Mit der Frage des Priesternachwuchses ist die Zukunft unserer Gemeinden eng verbunden. Es berührt uns Bischöfe tief, immer wieder zu erleben, wie sehr die Gemeinden sich Priester wünschen. Die Sorge ist groß: Was wird aus Gemeinden, die ihren Pfarrer immer weniger, immer kürzer sehen und erleben können? Aber müssen wir nicht gleichzeitig zugeben, dass das Leben unserer Gemeinden, besonders im ländlichen Raum, in den letzten fünfzig Jahren gewaltige Veränderungen erlebt hat? Die bäuerliche Bevölkerung ist stark zurückgegangen. Enorme Mobilität, starke Abwanderung und demographische Veränderungen haben das Leben unserer Gemeinden vor neue Herausforderungen gestellt. Der Priestermangel ist nur ein Aspekt davon, der „Gläubigenschwund“ ein anderer. Nur gemeinsam können wir diesen Übergang zu einer veränderten Kirchensituation gestalten. Entscheidend wird es sein, nicht nur die Verluste zu beklagen, sondern auf die Zeichen der Zeit zu achten, durch die Gott uns auf Seinen Wegen führen will.
Nicht ohne den Papst
Ein Element ist uns Bischöfen bei diesem Bemühen um die „Unterscheidung der Geister“ besonders wichtig: Wir wissen uns als Teil der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche. Wir wollen den Weg der Erneuerung und der Läuterung, auf dem wir uns befinden, bewusst in voller Gemeinschaft mit dem Papst, dem Nachfolger Petri, gehen, und in der vielgestaltigen Vernetzung mit der weltweiten Gemeinschaft der Kirche. Immer mehr wird unsere eigene Ortskirche Spiegel der Weltkirche durch die starke Immigration. Unsere vielen Brüder und Schwestern aus allen Teilen der Welt, die bei uns Arbeit suchen und Heimat finden, sind vollwertige Mitglieder unserer Ortskirche und nicht nur Gäste. Sie prägen und bereichern mehr und mehr das Leben der Kirche in Österreich. Zugleich erleben wir nicht nur wirtschaftlich und politisch, dass die Bedeutung Europas abnimmt und neue Zentren in den Vordergrund treten. Auch kirchlich verlagert sich der Schwerpunkt von Europa weg. Die jungen Kirchen haben eine große missionarische Lebendigkeit, während uns bewusst wird, wie sehr wir selber Missionsland werden. Kein Wunder, dass man in vielen Teilen der Weltkirche über das erstaunt ist, was bei uns zum Hauptthema zu werden droht. Wir sind eingeladen, im „Jahr des Glaubens“ unseren Blick auf die weltweite Gemeinschaft der Kirche zu öffnen und davon Anregungen für unsere eigenen Prioritäten zu gewinnen. Auch bei uns muss die Kirche wieder missionarischer werden, sie muss neu „in unseren Herzen erwachen“ (Romano Guardini).