Wir Bischöfe sehen die Situation fünfzig Jahre nach Konzilsbeginn, neben allen sehr realen Schwierigkeiten, auch als eine große Chance. Denn wir sind als Glaubende ganz neu gefragt, von unserem Glauben Rechenschaft zu geben: Wofür stehst Du? Woran glaubst Du? Wem und wie glaubst Du? Und was bedeutet es für Dich persönlich, für Dein Leben, zu glauben? Je säkularer, je pluraler unsere Gesellschaft wird, desto mehr kommt es auf das persönliche Zeugnis an, und da tun sich immer mehr Türen auf, Türen für den Glauben. Wir erinnern hier an das bekannte Wort von Papst Paul VI.: „Der heutige Mensch hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind“ (Evangelii Nuntiandi, Nr. 41).
Dringliche Einladung des „Heiligen Vaters“
In einer so vielschichtigen, vielgestaltigen Gesellschaft wie der unseren ist Auskunftsfähigkeit gefragt. Sind wir ausgerüstet, über unseren Glauben in einfachen Worten Rechenschaft zu geben? Der Grundwasserspiegel des religiösen Wissens ist in Österreich und in Europa stark gesunken. Elementare Kenntnisse, die zur europäischen Kultur gehören, können nicht mehr vorausgesetzt werden. Glaubenswissen ist aber eine der Voraussetzungen für ein glaubwürdiges Zeugnis. Daher die dringliche Einladung des Heiligen Vaters, dieses „Jahr des Glaubens“ zu nutzen, um unser Glaubenswissen zu vertiefen. Dazu gehört an erster Stelle die Liebe zur Heiligen Schrift. Papst Benedikt gibt uns ein leuchtendes Beispiel durch seine ganz am Wort Gottes orientierte Verkündigung. Dazu sollte in diesem Gedenkjahr des Konzils ein verstärktes Interesse an den Texten des Zweiten Vaticanums gehören. Wir begrüßen die vielen Initiativen in den einzelnen Diözesen, die der vertieften Kenntnis der Lehre des Konzils dienen. Dieser besseren Kenntnis sollte nach dem Wunsch der Außerordentlichen Bischofssynode von 1985, zwanzig Jahre nach Konzilsende, auch der „Katechismus der katholischen Kirche“ dienen, der eine Frucht des Konzils ist.
Bischöfe: „Sind erfolgreich mit Youcat“
Es erfüllt uns österreichische Bischöfe mit Freude und ein wenig Stolz, dass das derzeit weltweit erfolgreichste katholische Buchprojekt unter unserer Herausgeberschaft erscheinen konnte: Der „Youcat“, derzeit bereits in über zwanzig Sprachen übersetzt, für Jugendliche und mit Jugendlichen erarbeitet, ist ein hervorragendes Instrument der Glaubensvertiefung, durchaus nicht nur für Jugendliche.
Zeugen des Glaubens zu sein, auskunftsfähig und gesprächsbereit: Das ist die Chance, die wir für uns alle heute sehen. Alle sind gefragt, es kommt nicht auf Spezialisten, auf Fachleute an, sondern zuerst und vor allem darauf, dass „die Liebe Christi uns drängt“ (2 Kor 5,14), das Evangelium zu bezeugen. Überall in unserem Land sehen wir Anzeichen, dass dies in wachsendem Maß geschieht. An erster Stelle sind hierfür unsere Pfarrgemeinden zu nennen. Trotz mancher schmerzlicher Schrumpfprozesse, Rückgängen der Gottesdienstbesucher, geringerer Zahl an Kindern und Jugendlichen ist das landesweite Netz der Pfarrgemeinden ein einzigartiges Phänomen, das wir nicht kleinreden dürfen. Wir danken an dieser Stelle allen Frauen und Männern, die sich als Pfarrgemeinderäte und ehrenamtliche Mitarbeiter im Dienst der Kirche engagieren. Wir bekennen uns zur Notwendigkeit und zur Zukunftsfähigkeit unserer Pfarrgemeinden, auch wenn wir uns ohne Angst den großen gesellschaftlichen und kirchlichen Veränderungen stellen wollen, die auch unsere Pfarren und ihre seelsorglichen Strukturen betreffen.
Sehr gläubige Familien
Es ist gar nicht möglich, ein vollständiges Bild der Lebendigkeit der Kirche in unserem Land zu zeichnen. Wir sehen mit Freude die wachsende Zahl an Jugendgebetsgruppen im ganzen Land. Wir beobachten, dass die Zahl der jungen, gläubigen Familien zunimmt, die großherzig für mehrere Kinder offen und um ein echt christliches Leben bemüht sind. Auch wenn manche Ordensgemeinschaften schmerzliche Nachwuchssorgen haben, so sehen wir dankbar manche alte oder neue Ordensgemeinschaft aufblühen. Wir erleben ein beeindruckendes Engagement vieler Menschen im caritativen Bereich. Wir sehen, wie sehr unsere kirchlichen Bildungseinrichtungen gefragt sind.
Geführt vom Heiligen Geist
Doch das Wichtigste am Glaubensleben entzieht sich jeder Statistik: die vielen Personen, die in ihrem Alltag eine tiefe Glaubensverbundenheit mit Gott leben, eine innige Christusnachfolge, ein stilles Sich-führen-lassen durch den Heiligen Geist. Sie sind die wahren Säulen der Kirche, sie tragen viel durch ihren Glauben mit. Sie sind wie jene vier Männer, die den Gelähmten gegen alle scheinbare Unmöglichkeit bis zu Jesus hingebracht haben: „als Jesus ihren Glauben sah…“ (Mk 2,5). Diese vielen Gläubigen in unserem Land sind unsere Zuversicht, unsere Hoffnung. Sie tragen auch heute durch ihren gelebten Glauben viele zu Christus! Sie alle sind die lebendige Kirche in Österreich, für die wir dem Herrn nicht genug danken können.