Als handelte es sich um die normalste Sache der Welt oder eine ganz gewöhnliche Dienstleistung – so bietet das Allgemeine Krankenhaus in Linz die Abtreibung an. Erstuntersuchung, Beratung und Durchführung des Schwangerschaftsabbruch an einem Tag, Bezahlung in bar, Bankomat im Haus vorhanden – so preist ein der Kirchenzeitung vorliegendes AKH-Schreiben den Schwangerschaftsabbruch an. Abbruch in den ersten drei Monaten sei „legal“ heißt es – was aber nicht stimmt. Er ist straffrei, aber keineswegs legal. Das „Werben“ des Allgemeinen Krankenhauses um Abtreibungs-Kundinnen zeigt, dass man von den von der Kirche immer wieder eingeforderten Begleitmaßnahmen zur Fristenregelung weit entfernt ist. Dazu gehört eine qualifizierte Beratung, die den Betroffenen Zeit für eine echte Gewissensentscheidung einräumt. Dazu gehören aber auch wirksame Unterstützungen für Frauen und Paare in Not. Verniedlichung kann kein Weg sein.
Fristen-Hektik
„Einzeitige“ Schwangerschaftsabbrüche am AKH
„Speziell für weiter angereiste Patientinnen soll auch ein einzeitiges Vorgehen (Erstuntersuchung, Beratung und Durchführung des Abbruchs an einem Tag) möglich sein.“ –
So steht es in einem mit 24. Mai 2005 datierten Rundschreiben des Abteilungsvorstands für Gynäkologie und Geburtshilfe des Allgemeinen öffentlichen Krankenhauses der Stadt Linz, Primar Dr. Helmut Stöger.
Zeitdruck
Kann innerhalb so einer „Einzeitigkeit“ die notwendige Beratung seriös durchgeführt werden, fragte die Kirchenzeitung. Immerhin ist, nachdem Befürworter und Gegner lange über die Fristenlösung stritten (1974 und 1975), die Beratung eine wichtige Bedingung. Primar Dr. Helmut Stöger weist zunächst darauf hin, dass das „einzeitige Vorgehen“ auf ausdrücklichen und mehrfachen Wunsch von betroffenen Frauen angeboten werde. „Viele Frauen empfinden eine zweimalige lange Anreise als störend und viele haben auch ein Problem, von ihrem Arbeitsplatz zwei Mal ohne Erkrankung freigestellt zu werden.“Es brauche jedoch vorher verbindlich den telefonischen Erstkontakt mit der Spitals-Diplomsozialarbeiterin. Diese überprüfe, ob die Frau die Entscheidung schon sicher getroffen habe. „Die meisten Patientinnen haben schon in ihrem Wohnbereich eine Beratungsstelle aufgesucht. Wenn nicht, wird eine Schwangerschaftskonfliktberatung bei uns durchgeführt“, sagt der AKH-Primar.Monika Kornfehl, Vorsitzende von ZOE, einer psychosozialen Beratungsstelle rund um Schwangerschaft und Geburt, bedauert diese Einzeitigkeits-Haltung des AKH. „Unsere Erfahrung ist, Frauen brauchen Zeit. Eine ungewollte Schwangerschaft ist zuerst einmal ein Schock, in dem man das Ereignis ungeschehen machen will.“ Im Schock sind die Alternativen nicht plausibel. Zoe bietet die Zeit, die Entscheidung reifen zu lassen. Die Frauen, die hier in Schwangerschaftskonflikten Rat suchen, kommen durchschnittlich drei Mal, weiß Monika Kornfehl. Etwa zwei Drittel der Frauen entscheiden sich nach der Beratung für das Kind.
Sieben Prozent stattzwei Drittel
Im Allgemeinen Krankenhaus sehen die Zahlen anders aus: Etwa sieben Prozent entscheiden sich nach der Beratung, „die alle möglichen Optionen auflistet“, gegen die Durchführung eines Abbruchs. Vier von fünf Frauen nehmen zuvor das Beratungsgespräch durch die Diplomsozialarbeiterin in Anspruch. Die zuständige Landesrätin Dr. Silvia Stöger korrigiert den Begriff „Einzeitigkeit“: Das ist nicht richtig. Es muss vorher schon eine niedergelassene Ärztin oder ein Arzt von der Patientin aufgesucht werden. Sie braucht eine Überweisung. „Damit ist schon die Beratung verbunden.“ Aus ihrer eigenen Erfahrung als Gynäkologin wisse sie, dass die meisten Frauen nach dem ärztlichen Gespräch zunächst nach Hause gehen, sich mit Menschen ihres Vertrauens, mit ihren Partnern beraten. Eher selten sind die ganz entschiedenen Fälle – Frauen in sehr extremen Situationen.
Partner sind wichtig
Bei der Klärung der Situation sind die Partner gar nicht so unbedeutend, sagt Landesrätin Dr. Silvia Stöger. Bei ihnen steht meist die wirtschaftliche Situation im Vordergrund. Oder das Paar lebt in einer sehr instabilen Beziehung.Zoe geht auf die Bedürfnisse von (werdenden) Müttern ein. Das Team um Monika Kornfehl bietet Begleitung, Begegnung und kompetente Beratung für Frauen und Männer in freundlicher Atmosphäre. Zeit, genügend Zeit für Zuwendung, Gespräche und Unterstützung, sind dabei das Um und Auf. Eine Zeit, die Vielzeitigkeit braucht und durch Einzeitigkeit unter Druck kommt.
Seit 1975 ist in Österreich neben medizinisch begründeten Eingriffen ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen straffrei. Die sogenannte „Fristenlösung“ regelt die Voraussetzungen für diese Straffreiheit: Dem Eingriff, der von einem Arzt vorzunehmen ist, muss ein ärztliches Beratungsgespräch vorausgehen.
Laut Auskunft von Landesrätin Dr. Silvia Stöger, die vom Beruf Gynäkologin ist, gibt es in Oberösterreich jährlich 1100 bis 1200 „Fristenlösungs“-Schwangerschaftsabbrüche im Spital. Das einzige oö. Spital, das Abbrüche durchführt, ist das AKH in Linz. Die Zahlen im niedergelassenen Facharztbereich sind nicht erfasst. „Aber die Kosten dort können sich viele nicht leisten. Sie liegen das Drei- und Vierfache über den Kosten im AKH“, sagt die Landesrätin.
Schätzungen von anderen Fachleuten gehen allerdings davon aus, dass in Österreich auf zwei Geburten etwa eine Abtreibung kommt. Voriges Jahr wurden in Österreich ca. 74.000 Kinder geboren!