Ausgabe: 2009/25, Schiffbruch, Folgen, Paulus, Fest des Schiffbruch, Peter und Paul, Schutzpatron, Valletta, Malta, Sankt Paulus, Mdina
17.06.2009 - Traude Walek-Doby
Das Paulusjahr, das mit Peter und Paul am 29. Juni zu Ende geht, wurde in Malta groß gefeiert. Ein Höhepunkt war das Fest des Schiffbruchs am 10. Februar.
Es gibt wenige Ereignisse, die Maltas religiöses Leben so geprägt haben wie der Schiffbruch des heiligen Paulus im Jahr 60 nach Christus. In den Augen des Völkerapostels Paulus dürfte es nicht die erfolgreichste Zeit seines Lebens gewesen sein: Als Gefangener auf dem Schiff von Kreta kommend, in einem fürchterlichen Sturm auf einer winzigen Felseninsel vor Malta gestrandet, drei Monate Gefangenschaft und schließlich seiner Enthauptung in Rom entgegenfahren. Dazwischen aber hat der wortgewaltige Prediger seine Zeit auf Malta genutzt, die Inselbewohner vom Christentum zu überzeugen; und die Malteser feiern diesen Schiffbruch als den Beginn ihrer Christianisierung noch heute mit aller Kraft ihrer südländischen Frömmigkeit.
Schutzpatron. Dass die historischen Daten unsicher und teilweise der Legende zuzuordnen sind, stört in Malta niemanden: Der heilige Paulus ist der erste Schutzpatron des Landes – neben dem heiligen Publius und der heiligen Agatha –, zahlreiche der 365 Kirchen in Malta und Gozo sind ihm geweiht oder haben zumindest eine eindrucksvolle Paulusstatue, die an den Paulusfesten in feierlicher Prozession durch die Stadt getragen wird. Paulus ist in Malta so lebendig, als wäre er eben erst mit dem Schiff nach Rom abgesegelt.
Eine dramatische Seefahrt. Die Apostelgeschichte beschreibt ausführlich die abenteuerliche Seereise der Gefangenen des römischen Kaisers Nero: Nachdem man sie auf einem Schiff die Küste Kleinasiens entlang transportiert hatte, wurden sie in Myra auf ein ägyptisches Handelsschiff verfrachtet, auf dem sich nebst einer Getreideladung 267 Menschen befanden. Der starken Herbststürme wegen wollte der Kapitän eigentlich in einem Hafen im Süden Kretas überwintern. Es brach jedoch ein fürchterlicher Orkan los, und außer dem Einholen der Segel und dem Umspannen des Schiffs mit einem starken Tau blieb der hilflosen Mannschaft und den Passagieren nichts weiter als die Hoffnung auf eine glückliche Rettung. Nach zwei Wochen führerlosen Treibens in der tobenden See war Land in Sicht, und das Schiff wurde von der Brandung auf einem kleinen Eiland vor Malta zerschmettert. Schwimmend oder an treibende Balken geklammert erreichten die Schiffbrüchigen festen Boden und wurden von den Einheimischen mit einem wärmenden Feuer empfangen. Als Paulus ein Reisigbündel in die Flammen werfen wollte, schoss eine Schlange daraus hervor und biss ihn in die Hand. Statt wie erwartet tot umzufallen geschah ihm nichts; daraufhin wurde er von den damaligen Inselbewohnern als ein Gott angesehen.
Erster Bischof auf Malta. Publius, der römische Statthalter auf Malta, versorgte die Angekommenen mit Nahrung. Es wurde vermerkt, dass er dazu 300 Brote brauchte, was Rückschlüsse auf deren Anzahl zulässt. Die Villa von Publius stand in Burmarrad, das ist ein kleines Dorf in der St.-Pauls-Bucht. Sein Vater war zum Zeitpunkt des Schiffbruchs schwer krank, und so lud Publius Paulus ein, nach ihm zu sehen. Paulus betete, legte ihm die Hände auf und konnte den alten Mann heilen. Als Gefangener der Römer musste Paulus zwar in einer unterirdischen Grotte hausen, die mit den riesigen Katakombenanlagen von Rabat in Verbindung steht und noch heute gezeigt wird, aber er genoss hohes Ansehen und durfte die christliche Lehre predigen. Publius wurde alsbald Christ und in Folge der erste Bischof auf Malta. Durch ihn wurde Malta zur ersten christlichen Nation des Westens und zu einer der ersten in der ganzen Welt. In St. Paul Milqi, einem Stadtteil von Burmarrad, kann man noch heute die Grundmauern der Publius-Villa besichtigen, über denen man eine kleine Kirche errichtete, die dem heiligen Paulus gewidmet wurde.
St.-Paulus-Feierlichkeiten. Vermutlich wird nirgendwo auf der Welt ein Schiffbruch so begeistert gefeiert wie der des heiligen Paulus auf Malta. Der 10. Februar ist Staatsfeiertag, der nicht nur im Paulusjahr 2009 so festlich begangen wird: Die Malteser sind der Meinung, dass sie diesem Schiffbruch ihre Christianisierung verdanken – einen dementsprechend hohen Stellenwert hat er in ihrem religiösen Empfinden. Das maltesische Fest des Schiffbruchs ist unabhängig von den übrigen kirchlichen Paulus-Festen wie Pauli Bekehrung (25. 1.) und Petrus und Paulus (29. 6.) – die ebenso feierlich begangen werden.
Eindrucksvolle Prozession. In Malta ist ein Fest ohne Prozession fast nicht vorstellbar – so auch das Fest des Schiffbruchs, an dem der Nachmittag bis zum späten Abend im ganzen Land den feierlichen Prozessionen gewidmet ist. Mittelpunkt ist dabei jeweils eine Statue des heiligen Paulus, die durch die Straßen und zum Schluss in die Kirche getragen wird. Ganz besonders feierlich und unter Teilnahme tausender Gläubiger zog St. Paul in der Hauptstadt Valletta in die ihm geweihte Co-Kathedrale ein. Die überlebensgroße Paulus-Figur ist aus Olivenvollholz und hat mit dem gesamten Unterbau rund tausend Kilo. Vier Tragestangen sind durch das Podest gezogen und liegen auf den Schultern von acht Trägern auf. Nach wenigen Minuten muss immer wieder Rast gemacht werden. Dazu stellen die Begleiter Stützen unter die vier Ecken des Podests. Danach geht es wieder weiter, einige Stunden über alle Unebenheiten und Steigungen der Straßen hinweg, bis zuletzt die Stufen zur Kathedrale in einem einzigen wilden Anlauf eingenommen werden. Als besondere Kostbarkeit wird in Valletta ein Splitter aus dem Armknochen des Heiligen als Reliquie verehrt und in einer vergoldeten Bronzeplastik in Form einer Hand mitgetragen. Am Ende der Prozession haben die Träger dicke, blutunterlaufene Schwellungen an ihren Schultern. Träger zu sein ist jedoch ein Ehrenamt, das an den stärksten jungen Mann innerhalb einer Familie weitergegeben und stolz gehütet wird. Nach dem stundenlangen Prozessionsweg durch Valletta kommen auf dem Platz vor der Co-Kathedrale jedes Jahr tausende Gläubige zusammen, um nach der abschließenden Andacht gemeinsam aus vollen Kehlen den Hymnus „Sancte Paule Apostole, predicator veritatis“ zu schmettern – eine ins Ohr gehende Melodie von Paolo Nani (1814–1904), die in Malta äußerst populär ist.
Kirchliches Volksfest. Sankt Pauli Schiffbruch ist ein „kirchliches Volksfest“, das im Leben der Malteser fest verankert ist und mit allem Engagement südlicher Begeisterungsfähigkeit gefeiert wird. Ist das Wetter regnerisch und stürmisch, sagt man in Malta: Der heilige Paulus will uns daran erinnern, dass wir dem schlechten Wetter unsere Christianisierung verdanken; ist gutes Wetter (wie im Jahr 2009), heißt es: Der heilige Paulus zeigt uns, dass er sich über das Fest freut. Die Malteser lassen eben nichts kommen über ihren heiligen Paulus.
Zur Sache
Ein fröhliches Volksfest
Ein Fest in Malta nimmt üblicherweise mindestens fünf Tage in Anspruch: drei Tage Vorbereitung, zwei Tage Festlichkeiten. In Valletta werden zu Pauli Schiffbruch die Kirchen mit rotem Seidendamast ausgekleidet, auf den Altären alle silbernen Kirchenschätze aufgestellt und mit Seidenblumensträußen dekoriert; alle Kirchenglocken läuten, Kanonen donnern, abendliche Feuerwerke erhellen die Nacht und spiegeln sich tausendfach in den Meeresbuchten. Viele Häuser von Familien und Vereinen stehen offen, damit jedermann die ausgestellten Heiligenfiguren besichtigen kann. Die Straßen sind mit Fahnen, Girlanden und kostbaren Schabracken geschmückt, die Musikkapellen spielen flotte Märsche, die Fenster und Balkone sind dicht besetzt, und die Kinder werfen übermütig säckeweise Papierstreifen auf die Passanten hinunter – Volltreffer, wenn sie im Trichter eines Blasinstrumentes landen! Alles, was in Büros seit Monaten an Papier entsorgt gehört, wandert auf dieses Fest hin durch den Reißwolf. An manchen Stellen der Stadt sammelt sich das Papier hüfthoch an.